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DIE VERKEHRLICHEN ENTWICKLUNGEN DER WEHRATALBAHN

Die Wehratalbahn war noch nicht lange in Betrieb, als es schon Ärger mit dem Fahrplan für den Personenverkehr gab.

Es war schwierig, die Wünsche der Gemeinden mit den Vorstellungen des Militärs in Einklang zu bringen. Sehr oft mußten die Wünsche der Bevölkerung zurückstehen.

Von der neuen Bahnlinie wurde für jene Verhältnisse recht gut Gebrauch gemacht. Vom 20. Mai 1890 bis 31. Dezember 1890 verkauften die einzelnen Stationen:

Fahrnau/T
5 594 Fahrkarten
Hasel/Baden
12 092 Fahrkarten
Wehr/Baden
22 363 Fahrkarten
Öflingen
4 672 Fahrkarten
Brennet/W
8 844 Fahrkarten
total
53 565 Fahrkarten

Nur ein verschwindend geringer Teil der Fahrkarten wurde im Binnenverkehr, d.h. für die Bahnhöfe zwischen Fahrnau/T und Brennet/W. gelöst. Die meisten Reisenden fuhren nach Schopfheim bzw. Säckingen und darüber hinaus.

Der Verkauf der Fahrkarten entwickelte sich seit der Bahneröffnung in Wehr wie folgt:

1890
53 565
1941
95 839
1891
69 627
1946
114 838
1895
80 569
1950
83 666
1900
70 000
1955
106 972
1910
70 236
1960
116 794
1929
88 241
1965
120 000
1935
55 792
1970
91 250

Zwischen Wehr und Schopfheim reisten z.B. 1891 alleine 21 601 Personen.

Fahrplanauszug aus dem Jahre 1891
(Durch Anklicken gelangen Sie zur Vergrösserung)

Sommerfahrplan 1939
(Durch Anklicken gelangen Sie zur Vergrösserung)

Der Zweite Weltkrieg machte auch auf der Wehratalbahn weitgehende Einschränkungen erforderlich. Am 20.1.1942 erteilte das Reichsverkehrsministerium in Berlin Empfehlungen über Reisebeschränkungen wegen durchzuführender Wehrmachts-, Kriegswirtschafts- und Lebensmitteltransporte.

Mit Wirkung vom 17. Juli 1944 wurden nur noch Reisende bis 100 km Entfernung ohne besondere Bescheinigung in Eil- und Personenzügen zugelassen.

Wegen der Luftgefährdung konnten ab Oktober 1944 während der Tageshelle keine Züge oder Triebwagen mit Personenbeförderung verkehren. Außerdem hatte man im Bahnhof Hasel ein Eisenbahngeschütz deponiert, welches (nach Augenzeugenberichten) wohl tagsüber unter Tarnnetzen im Bahnhof stand, und nicht wie in der Presse berichtet, im Fahrnauer Tunnel hinterstellt war.
(In den einschlägigen Akten ist hierüber allerdings nichts zu finden.)

Trotz Intervention der Gemeinde Wehr vom 28.10.1944 durften nicht einmal an Samstagen in den Mittagsstunden Personenzüge verkehren, obwohl in den Fabriken um 12 Uhr Arbeitsende war.

Die Arbeiter mußten sehen, wie sie vorzeitig nach Wehr kamen oder mußten in Schopfheim bis 17.36 Uhr und in Säckingen bis 19.00 Uhr auf die Züge warten.

Kurz vor Kriegsende kam dann der gesamte Verkehr zum Erliegen. Die Wehrmacht hatte Befehl erteilt, vor dem heranrückenden Feind zahlreiche Brücken und Tunnels zu sprengen. Durch die mutige Tat einiger Eisenbahner konnte allerdings in letzter Minute die Sprengung des Fahrnauer Tunnels verhindert werden.

Mehr darüber lesen Sie hier und hier

Darum konnte auf der Wehratalbahn zwischen Säckingen und Schopfheim bereits am 14. Juni 1945 der Personenverkehr wieder aufgenommen werden. Auch auf der Wiesentalbahn konnte ab diesem Zeitpunkt wieder zwischen Zell/W und Steinen gefahren werden, die Brücke über die Wiese zwischen Steinen und Brombach war zerstört.

Nach handschriftlicher Bekanntgabe des Bahnhofs Wehr verkehrten die ersten Züge wie folgt:

Wehr ab 7.05 Säckingen an 7.27
Wehr ab 8.16 Säckingen an 8.35
Wehr ab 18.17 Säckingen an 18.39
Wehr ab 19.26 Säckingen an 19.45

Ab 25. Juni 1945 wurden die Fahrpläne etwas geändert, die Anzahl der Züge blieb jedoch gleich.

Reisen konnten aber nur jene, die einen Passagierschein vom Kommandanten der Besatzungsmacht besaßen, während Güter zur Beförderung vorerst überhaupt nicht angenommen wurden.

Aber bald normalisierte sich der Personenverkehr wieder, und die Strecke erreichte wieder eine rege Nachfrage. So finden wir im Winterfahrplan 1953/54 an Werktagen 11 Zugpaare auf der Strecke.

Winterfahrplan 1953/54, Auszug aus "Amtliches Kursbuch der Schweiz"
(Zug 2475 fur damals übrigens von Säckingen nach Zell im Wiesental)

Bereits ab dem Sommer 1959 verwendete man in den Früh- und Abendstunden die ersten Bahnbusse, welche die weniger besetzten Züge ersetzten.

Die Bevölkerung akzeptierte dies, zumal die Busse an mehreren Haltestellen in den Ortschaften hielten und daher längere Wege zum Bahnhof entfielen. Als die Arbeitskraft immer teurer wurde, verlegte die Bahn den Verkehr immer mehr auf die Straße, so daß Ende der sechziger Jahre mehr Reisende mit den Bahnbussen als mit den Zügen fuhren.

Bereits seit 1938 hatte ein großes Textilunternehmen, welches in Brennet und Wehr seine Produktionsstätten hatte, der Bahn auf der Straße mächtig Konkurrenz gemacht.
Die Fahrpläne der Wehratalbahn nahmen in Schopfheim in der Regel nur auf die Anschlüsse von und nach Basel Rücksicht, ähnlich war es auch in Säckingen der Fall, dort waren die Anschlüsse auf die Züge Richtung Waldshut ausgerichtet. Wer in eine andere Richtung, z.B Richtung Zell im Wiesental oder Rheinfelden weiterfahren wollte, mußte meist längere Zeit auf einen Anschlußzug warten.
Das aufstrebende Unternehmen suchte damals dringend Arbeitskräfte in den umliegenden, teilweise abgelegenen Orten. Allerdings waren weder Bahn, Post und Gemeinden in der Lage, die Arbeitskräfte zu einigermaßen annehmbaren Fahrzeiten an ihren Arbeitsort zu bringen.
So richtete dieses Unternehmen 1938 in Eigenregie eine Buslinie nach Hausen im Wiesental ein, welcher später sogar noch eine zweite folgte. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges lagen diese Linien zwar still, wurden aber 1947 wieder in Betrieb genommen. Im Jahre 1948 folgte dann eine weitere Buslinie von Wehr in den Raum Rheinfelden, was den Werktätigen gegenüber der Bahnreise teilweise einen Zeitgewinn von bis zu 2 Stunden brachte.
Als sich dann im Verlauf der sechziger Jahre immer mehr Leute einen PKW zulegten, schliefen die Werkslinien allerdings wieder ein.

Auch im Güterverkehr erschloß die neue Bahnlinie das Wehratal und verhalf der dortigen Industrie zum leichteren Anschluß an den Markt und somit zu einem wirtschaftlichen Aufstieg, ohne daß die Bahn dadurch selbst je einen Profit erzielte.

Sie diente der Industrie und dem Gewerbe nur so lange als willkommenes Transportmittel, bis man sich nach "günstigeren" Möglichkeiten umsehen konnte.

Bis Ende des Zweiten Weltkrieges wurden hauptsächlich versandt: Rund-, Nutz- und Brennholz; Papier; Textilerzeugnisse und landwirtschaftliche Erzeugnisse.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen chemische Fertigprodukte hinzu, die zum Schluß den Hauptanteil des Versandgutes ausmachten.

Angeliefert wurden hauptsächlich: Baumwolle, Baustoffe, Düngemittel, Eisen, Garne, Kohle, Chemische Grundstoffe, landwirtschaftliche Erzeugnisse

In den ersten 30 Jahren hielten sich die Versandmengen und Empfangsmengen in etwa die Waage. Mit Aufkommen des Kraftverkehrs sank das Versandaufkommen zusehends ab.

Der Kraftverkehr übernahm auch hier die hochtarifierten Fertigprodukte, während der Bahn auf dieser Strecke die weniger günstigen Rohprodukte blieben.

Nach dem Rückgang des Kohlenverbrauches infolge Umstellung auf Erdöl erfolgte auch bei den Empfangsgütern ein starker Einbruch.

Mit dem billigen Transport von hauptsächlich Verpackungsmaterial, welches andere Verkehrsträger nicht übernehmen wollten, kann aber eine Strecke nicht erhalten werden.

Die Einrichtung des Gleisanschlusses, den die Gemeinde Wehr einem chemischen Betrieb als Gegenleistung für dessen Niederlassung in Wehr versprach, hätte sicherlich der Bahnlinie ein wesentlich größeres Güteraufkommen gesichert. Der Gleisanschluß wurde aber nicht errichtet, obwohl die Trasse hierfür noch anfangs der siebziger Jahre freigehalten wurde.

Alle Gleise sind belegt
Auf Gleis 2 ist der ET 85 nach Schopfheim abfahrbereit, auf Gleis 1 rangiert die Kleinlok, an der Güterhalle stehen die Stückgutwagen bereit, auf dem Kopframpengleis stehen drei weitere Wagen zum Ausladen bereit.
Foto: Archiv Eisenbahnfreunde Wehratal e.V.

Der versuchsweise eingeführte Straßenroller-Verkehr vom Bahnhof Wehr zur Firma scheiterte an zu hohen Kosten, und so hat sich gerade diese Firma mit dem größten Frachtaufkommen dann immer mehr zur Straße hin orientiert.

Der Strassenroller hat am Bahnhof Wehr einen Gas-Kesselwagen aufgeladen
Foto: © Dietrich Winkler

Auch der große Materialbedarf für den Kraftwerkbau der Schluchseewerke wurde ohne Rücksicht auf die Bevölkerung über die Straße abgewickelt. Nur für die schweren Transformatoren wurde in Öflingen ein besonderer Gleisanschluß eingerichtet, da diese nur mit der Bahn befördert werden konnten.


Ein Schwertransporter für das Kavernen-Kraftwerk Wehr steht in Öflingen zum Abladen bereit
Foto: © W. Schepperle

Die Folgen für die Strecke, die drohende Stilllegung, waren abzusehen.

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