03.06.2004

"Wunderwaffe" im Eisenbahntunnel

Deutsche Wehrmacht bombardierte mit schwerem Eisenbahngeschütz

Im zweiten Weltkrieg barg der Haseler Eisenbahntunnel ein streng gehütetes Geheimnis. Dort versteckte die deutsche Wehrmacht ein riesenhaftes Eisenbahngeschütz. Von Lörrach aus bombardierten sie mit fünf Zentner schweren Granaten alle vier Minuten Ziele in Frankreich bis nach Straßburg. Hasel stand am Abgrund der Vernichtung

Hasel/Lörrach/Wehr
VON HEINZ HILBRECHT


Eine"Wunderwaffe" war im zweiten Weltkrieg im Haseler Eisenbahntunnel versteckt. Das Eisen-bahngeschütz von extremer Reichweite hätte bei Entdeckung einen schweren Angriff auf Hasel provoziert.
Repros: Hilbrecht

Hasel/Lörrach/Wehr - Thomas Hebding von der ehemaligen Interessengemeinschaft Wehratalbahn hörte die Geschichte von der "Wunderwaffe" im Haseler Tunnel zuerst von seinem Vater. In den Kriegsjahren bis 1944 war die Wehratalbahn zeitweise für den Eisenbahnverkehr gesperrt. Dann wimmelte es um den Tunnel von SS-Mannschaften. "Damit keiner auch nur in die Nähe kam", berichtet Thomas Hebding, gab es eine strenge Absperrung.

Denn im Tunnel befand sich zu solchen Zeiten ein Eisenbahngeschütz von ungeheurer Reichweite und Größe. Welches Geschütz genau dort stationiert war, ist heute unbekannt. Die Geheimhaltung war äußerst streng, denn Eisenbahngeschütze waren verletzliche Waffen. Flugzeuge oder Spähtrupps hinter der Front konnten sie entdecken. Dann wäre auch das kleine Hasel unweigerlich ein Ziel für einen Luftangriff der alliierten Bomber geworden.

Am Abend und in der Dunkelheit der Nacht fuhr die Mannschaft das Eisenbahngeschütz in Stellung. Zwei Züge waren nötig. Einer trug die Munition und war zuständig für die Wachmannschaft. Der Zweite war die eigentliche Kanone mit den Gerätewagen für die Vorbereitung der Munition. Die Feuerstellungen lagen am Ortsausgang von Lörrach in Höhe des Güterbahnhofs, berichtet Thomas Hebding, oder auf einem Industriegleis bei Steinen, bei der ehemaligen Seilwindenfabrik Werk I, der heutigen Firma Rotzler. Schwere Eisenbahngeschütze konnten nämlich das riesenhafte Rohr nicht zur Seite schwenken. Die Schussrichtung bekam das Geschütz in einer Gleiskurve. Die Mannschaft stellte den Zug mit schweren Bremsen fest, wenn das Rohr in der gewünschten Richtung stand. Der Luftdruck des fast mit Schallgeschwindigkeit fliegenden Geschosses war enorm. Thomas Hebding berichtet: "Die Bevölkerung wurde angewiesen, die Fenster zu öffnen." Sonst hätte die Druckwelle alle Fensterscheiben in den Häusern zertrümmert.

Nach dem deutschen Panzerlexikon hatte die Wehrmacht vor allem zwei schwere Eisenbahngeschütze im Einsatz: Die Kanonen 5 und 12. Am wahrscheinlichsten stand die K 5 im Haseler Tunnel, das am weitesten entwickelte Geschütz.

Nach dem deutschen Panzerlexikon hatte die Wehrmacht vor allem zwei schwere Eisenbahngeschütze im Einsatz: Die Kanonen 5 und 12. Die K 12 war ein regelrechter Koloss. Das Rohr allein war 33,3 Meter lang. Die Reichweite wird mit 115 bis 180 Kilometern angegeben. Doch davon gab es nur sehr wenige Exemplare. Am wahrscheinlichsten stand die K 5 im Haseler Tunnel, das am weitesten entwickelte Geschütz. Davon gab es immerhin 25 Stück, die an allen Fronten im Einsatz waren. 218 Tonnen wog allein das Geschütz, mit einem Rohr von 21,5 Metern Länge, Kaliber 28,5 Zentimeter. Als Kanone schoss die K 5 bis zu 60 Kilometer weit. Aber die Ingenieure hatten für diese Waffe völlig neue Projektile entwickelt. Es waren flügelstabilisierte Geschosse mit einem Raketentreibsatz. Diese "Pfeilgeschosse" kamen aus Peenemünde, wo damals auch die Rakete V 2 entstand. Pfeilgeschosse flogen bis zu 120 Kilometer weit und konnten praktisch jeden Bunker brechen. Von Lörrach aus konnte die K 5 damit nach Frankreich bis Straßburg, Besancon oder auf die Festungsanlagen bei Belfort schießen. Zürich oder Bern hätte die Kanone sogar mit Leichtigkeit erreicht. Zum Glück ist den Alliierten das Versteck im Haseler Tunnel entgangen. Der Gegenschlag wäre wahrscheinlich verheerend für Hasel gewesen.

Anmerkung:
Es ist nicht anzunehmen, dass sich die Deutsche Reichsbahn mit dem Geschütz im Tunnel die damals strategisch wichtige Strecke versperrt hat. Augenzeugen von damals berichten, dass das Eisenbahngeschütz nicht im Tunnel, sondern im Bahnhof Hasel (vor dem Tunnel) abgestellt war. Das Geschütz war mit Tarnnetzen abgedeckt. Möglicherweise gab es auf der Westseite des Bahnhofs dafür extra ein zusätzliches Gleis, welches später wieder entfernt wurde. In den uns derzeit vorliegenden Akten und Plänen ist hierüber aber leider nichts zu finden.

Obiger Zeitungsbericht wurde am 28. September 2005 nochmals im "Anzeiger" abgedruckt. Dieser Artikel weckte dann Erinnerungen. Ein Leser meldete sich bei der Redaktion des "Anzeiger".

Was er zu berichten hatte, lesen Sie hier:

 

 

 

 

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