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Die Stellwerksanlage im Bahnhof Wehr

Nach Inbetriebnahme der Wehratalbahn am 20. Mai 1890 wurde im Jahre 1892 auch auf der Station Wehr mit dem Einrichten einer "zentrale Stellwerksanlage" begonnen. Im Jahre 1893 konnte sie in Betrieb genommen werden.

Wehr als größter Unterwegsbahnhof wurde mit 8 Fahrstraßen, 6 Weichenhebeln und 5 Signalhebeln ausgestattet. Die restlichen Weichen waren Handweichen. Die Signale waren damals nur einflüglig ausgestattet. Wehr erhielt zwei Stellwerke, für die jedoch keine besonderen Gebäude errichtet wurden. Stellwerk I befand sich in einem eisernen Schutzkasten, über den später eine primitive Holzhütte gebaut wurde.

Stellwerk I im Bahnhof Wehr - vom Süden gesehen
Foto: © Günther Leber

Stellwerk I im Bahnhof Wehr im Jahre 1971 - Seite Schopfheim
Foto © R. Gerber
Das Foto entstammt unserer Festschrift "100 Jahre Wehratalbahn - 20 Jahre Eisenbahnfreunde Wehratal e.V."

Dem Foto kann entnommen werden, dass es sich bei dem kleinen Häuschen rechts um eine Wachthütte handeln muss, in welcher der Weichenwärter bei schlechtem Wetter Unterschlupf finden konnte.

Bei der "7" am Stellwerk muss es sich um den Schrankenposten "Wartstation 7" handeln, welcher irgend wann einmal*) von seinem ehemaligen Standort weiter nördlich am Bahnübergang Dossenbacherstraße zur Stellwerksanlage verlegt wurde, wohl um Personal einzusparen.

(*) Wann die Verlegung der Schrankenbedienung von der Wartstation 7 zum Stellwerk erfolgte, lässt sich aus den vorhandenen Akten nicht mehr ermitteln. Auf einem Plan aus dem Jahre 1949 ist die Wartstation 7 noch am alten Platz eingezeichnet, in einer Berichtigung selbigen Planes am 30.5.1960 ist die Wartstation 7 gestrichen und bei Stellwerk 1 angefügt: zugleich Wp 7a.)

Blick in das Innere des Stellwerks I.
Im Hintergrund die Kurbel für die Schranke Wp 7,
Es folgen die Signalhebel für die Ein- und Ausfahrsignale von und nach Schopfheim, dann die Weichenhebel.
Der "Kugelblock" ist leider nicht abgebildet. Rechts stehen zwei neue Signalflügel als Ersatz für die badischen Flügel bereit.
Foto: © Günther Leber

Das Fahrdienstleiter-Stellwerk II, welches Weichen-, Block- und Signalkurbeln enthielt, stand im Freien unter dem Bahnsteigdach neben dem Fahrdienstzimmer. Der (wohl erst später eingebaute) Bahnhofsblock war mechanisch, die Abgabe der entsprechenden Befehle zur Signalbedienung zwischen Fahrdienstleiter und Stellwerk I erfolgte mittels Drahtzugleitungen. "Badischer Kugelblock" wurde diese Art Befehlsabgabe in Fachkreisen genannt.
(Die gleiche Bauform gab es bis zur Inbetriebnahme des neuen elektromechanischen Stellwerks der Bauform E 43 am 13.7. 1965 auch in Schopfheim).


Das Befehlsstellwerk von Wehr
Foto: © Rainer Gerber

(Rechts der Hebel für die Einfahrweiche 17 aus Richtung Öflingen, in der Mitte das Kurbelwerk für das Einfahrsignal sowie die Ausfahrsignale von und nach Öflingen, sowie für die Befehlsabgabe zum Stellwerk I, links davon die Riegelhebel für die Weiche 17 und das Schlüsselwerk für die Handweichen 15 und 16. Bei Dienstruhe war das Stellwerk mittels Schloss (kleiner Kasten rechts) gegen unbefugtes Bedienen gesichert.)

Da das Stellwerkspersonal seine Arbeit praktisch im Freien verrichten musste, nahmen im Laufe der Jahre Klagen über diese unhaltbaren Zustände natürlich stark zu. In den vorhandenen Akten ist allerdings erst ab dem Jahre 1915 etwas über die Wehrer Stellwerksanlage zu finden.

Im Jahre 1915 beantragte die Bahnbauinspektion Basel (die wegen des 1. Weltkrieges damals ihr Büro in Lörrach hatte) anscheinend, den Wegübergang Dossenbacherstraße in Kilometer 8,582 durch eine Unterführung zu ersetzen und das Stellwerk in Wehr zu überdachen. Am 22. März 1915 schrieb die Großherzogliche Generaldirektion der Badischen Staatseisenbahnen an die Bauinspektion Basel:

Erlass Nr.1092 D. St 9 "Staatsvoranschlag 1916/17 h.i. Beseitigung des Wegübergangs bei km 8,5+82,00 und Stellwerkanl. auf Stat. Wehr betr."

"Bezugnehmend auf Jhre beiden Budgetanträge und die hieran anknüpfende Besprechung mit dem Vorstand der Bbaui ersuchen wir nochmals zu prüfen, ob die technischen und betriebstechnischen Verhältnisse des Stellwerks I in Wehr es nicht zulassen, das Stellwerk in seinem jetzigen Zustand noch einige Jahre zu erhalten. Auch wäre noch zu prüfen, ob die Fundamentierung des jetzigen Stellwerk I nicht verbessert werden kann, da der erforderliche Kostenaufwand von 50 000 M doch ein erheblich großer ist und gerade in der jetzigen Zeit nicht angebracht erscheint. Damit dürfte auch die Frage des Ersatzes des Wegübergangs durch eine Wegunterführung zunächst hinfällig werden und an der bestehenden Wegschrankenbedienung nichts ändern."

Eine Ausfertigung dieses Schreibens ging auch an die Betriebsinspektion Basel (ebenfalls nach Lörrach "ausgelagert"), welche wiederum die Station Wehr anschrieb und um "Äußerung" bat. Das Schreiben enthält auch eine "Aktenbemerkung" der Betriebsinspektion:

"das Stat. Wehr beantragt für das Stellw. I die Erstellung eines Schutzdachs. Der Antrag wurde der Bbaui mit Bezug auf diesen Erlaß zur Kenntnisnahme übermittelt."

Die Bahnbauinspektion Basel antwortete am 6. April 1915 der Betriebsinspektion Basel:

"Wir haben die technischen Verhältnisse der Stellwerksanlage in Wehr nochmals geprüft. Die Fundamentierung des Stellwerks I läßt sich durch Unterbauen eines eisernen Gerüstes oder in anderer Weise soweit verbessern, daß das Stellwerk noch einige Jahre belassen werden kann. Zum Schutze gegen Witterungseinflüsse könnte für das Stellwerk eine Holzverschalung in Betracht kommen. Für die beantragte Änderung der Stellwerksanlage war auch die schlechte Sichtbarkeit der Weichen 8/9 und 7/10 (ehemalige Gleiskreuzung zwischen den Gleisen 1 und 3 nördlich der Kirchsteigbrücke) vom jetzigen Standort des Stellwerks aus maßgebend. Durch Abhängen dieser Weichen vom Stellwerk und deren Bedienung durch 2 aufschneidbare Weichenstellhebel könnte dem Mißstande abgeholfen werden. Die Weichen müßten bei den in Betracht kommenden Fahrstraßen durch besondere Riegelhebel vom Stellwerk I aus verriegelt werden."

Das Großherzogliche Stationsamt in Wehr nahm hierzu am 16. April 1915 Stellung:

"Die den GR Eisenbahnbauinspektion eingangs der Mitteilung vom 6.4.15 erwähnten Verbesserungen am hies. Stellwerk I sollten, wenn dasselbe noch einige Jahre belassen werden soll, alsbald ausgeführt werden, damit die Witterung nicht noch weiter schädigend einwirken kann. Dem Vorschlag, daß die Weichen 8/9 und 7/10 vom Stellwerk abgehängt und durch Weichenhebel bedient werden sollen, können wir nicht zustimmen. Das Verschubgeschäft vollzieht sich größtenteils über diese Weichen. Durch Abhängen derselben würde dann der Stellwerksdienst an sich fast bedeutungslos werden, während die Bedienung der Weichenstellhebel erhöhte Aufmerksamkeit erfordern würde. Es dürfte uns entgegengehalten werden, daß der Arbeiter, welcher sonst die Schubhornsignale gibt, die betr. Weichen umstellen kann. Demgegenüber müßten wir anführen, daß es öfter vorkommt, daß Wagen aus- oder einzustellen sind in Zeiten, wo nur ein Arbeiter im Dienst ist, derselbe hat aber verschiedene Geschäfte zu besorgen, so daß es ihm nicht möglich wäre, rechtzeitig an die Weichenstellhebel zu gelangen, um die Weichen umzustellen. In diesem Falle kann - vorausgesetzt daß der jetzige Zustand bestehen bleibt - der Fahrdienstleiter den Stellwerkswärter telefonisch zum Umstellen der Weichen beauftragen. Da mit der vorgeschlagenen Abänderung keine Erleichterungen geschaffen würden, möchten wir bitten, das Stellwerk (mit Ausnahme der gutgeheißenen Verbesserungen) in seinem jetzigen Zustand, bis zur Erstellung einer Neuanlage, belassen zu wollen."

Zur Verdeutlichung der Situation hier noch einmal der Gleisplan des Bahnhofs Wehr:

Gleis 1 ist durchgehendes Hauptgleis. Gleis 2 ist Kreuzungs- und Überholungsgleis.
Gleis 3 ist Abstell- und Ladegleis. Gleis 4 ist Freilade- und Stirnrampengleis.

 

Die Betriebsinspektion Basel in Lörrach leitete vorstehendes Schreiben mit dem nachstehenden Vermerk an die Bauinspektion weiter:

"das Abhängen der Weichen 7/10 und 8/9 vom Stellwerk I im Bahnhof Wehr ist nicht angängig, weil die Bedienung der Stellhebel insofern Schwierigkeiten bereiten würde, daß der Stellwerkswärter die Bedienung der Weichenhebel nicht mitbesorgen kann, weil beim Verschubgeschäft in der Regel nur ein Mitarbeiter anwesend ist."... "Die Verlagerung des Stellwerks darf nicht zu lange hinausgeschoben werden. Man wird sich hiernach vorerst mit einer besseren Fundamentierung und einer Überdachung und Verschalung des Stellwerks begnügen, auf sonstige Änderungen aber verzichten müssen."

Fast 5 Jahre gingen dann, wohl kriegsbedingt, ins Land, bis das Stellwerk Wehr wieder in den Akten auftaucht. Am 6. Februar 1920 meldete sich die Generaldirektion aus Karlsruhe wieder und erinnerte sich an die geplante Verlegung des Wehrer Stellwerkes. Man wollte wissen, ob die betrieblichen und sonstigen Verhältnisse "auf Bf Wehr" noch die gleichen geblieben wären wie in den Berichten aus dem Jahre 1915. Man erbat um nochmalige Prüfung der Verhältnisse, da die Einführung der zweiflügligen Signale bevorstand, und man im Zuge diese Umbaus auch gleich das Stellwerk an einen günstigeren Platz verschieben könne.

"Wird die Verschiebung des Stellwerks für erforderlich gehalten, so wolle der Antrag nochmals eingehend begründet werden", hieß es aus Karlsruhe.

Die Betriebsinspektion, inzwischen wieder in Basel ansässig, vermerkte, dass die Verlegung des Stellwerks an einen günstigeren Platz nach wie vor ein dringendes Bedürfnis ist. Das Wärterpersonal klage fortwährend über die mangelnde Übersicht, wenn auf Gleis 3 einige Wagen stehen. Die Verständigung beim Verschubgeschäft wäre dann in den meisten Fällen fast unmöglich. "Bei entgegengesetztem Wind, oder kürzlich als die Hasel viel Wasser hatte, war eine solche nicht mit Sicherheit zu übermitteln. Wir möchten deshalb bitten, daß die beabsichtigte Änderung bzw. Verbesserung, wenn äußerst möglich, mit Beschleunigung durchgeführt wird. Bei dieser Gelegenheit möchten wir noch beantragen, daß der Blockapparat vor dem Aufnahmegebäude ins Fahrdienstzimmer gestellt wird."

(Irgend jemand hat mit Bleistift noch einen Kommentar angefügt: "Es ist dort wenig Platz! Und die neuen Apparate sind ungeheuer groß.")

 

Brücke über den Hasel-Bach bei Stellwerk 1 Wehr.
Im März 2003 war diese Brücke noch vorhanden.
Foto: © Th. Hebding

Am 20. März 1920 schrieb die Badische Betriebsinspektion an den Bahnhof Wehr:

"Sie wollen bezüglich des neuen Standorts für Stellwerk I einen bestimmten Vorschlag machen, Wir sind der Meinung, daß es auf derselben Seite des Bahnhofs belassen, nur etwa 150 bis 200 m südlich verschoben werden sollte. Es wird ein hohes Stellwerk anzustreben sein. Gleichzeitig wollen Sie prüfen, ob es mit Rücksicht auf den Überblick und die Verständigungsmöglichkeit erwünscht ist, die gekreuzte Weichenverbindung 11/14 und 12/13 (für die Ladegleise 3 und 4 nördlich der Rampe) in das Stellwerk einzubeziehen und die Handbedienung dieser Weichen aufzuheben."

Im Bahnhof Wehr war man wohl hocherfreut über die gute Nachricht und antwortete bereits am 27. März 1920 nach Basel:

"Für den neuen Standort des Stellwerk I haben wir den Platz auf derselben Seite des Bahnhofs zwischen den 2 Masten, etwa 120 m südlich von dem seitherigen, ausersehen. Es ist zur besseren Übersicht ein hohes Stellwerk erforderlich. In diesem Falle könnten dann die Weichen 11/14 u. 12/13 in das Stellwerk einbezogen werden. Bezüglich der Aufstellung des Blockapparates im Fahrdienstzimmer wurde s.Zt. der Platz bei dem Telegrafenapparat als Aufstellungsort vereinbart. Hier könnte derselbe ohne zu stören, eingebaut werden."

Die Betriebsinspektion Basel schrieb an die Bauinspektion (zur Weiterleitung nach Karlsruhe), dass man die Maßnahme zur Verlegung des Stellwerkes möglichst beschleunigt bearbeiten solle. Die Angelegenheit wäre dringend, denn inzwischen hätten sich in Wehr weitere Industrielle niedergelassen, und "sobald die Lage besser werde" sei auch mit ansteigendem Güterverkehr zu rechnen.

Allerdings machte dann der Erlass 2874 D/ St 7 der Generaldirektion in Karlsruhe vom 15.4.1920 alle guten Hoffnungen wieder zunichte. Karlsruhe schrieb:

"der Verlegung des Stellw. I in Wehr kann z.Zt. wegen der unverhältnismäßig hohen Kosten nicht näher getreten werden. Bei Aufstellung der zweifl. Signale soll das Stellwerk an seinem Platz belassen werden. gez. Grimm"

 

Das Stellwerk I in Wehr im Jahre 1970
50 Jahre nach dem Erlass 2874 D/ St 7 ist es immer noch in ärmlichem Zustand
Links vor dem Stellwerk ist, wohl wegen des immer schlechter werdenden Streckenzustandes
Richtung Säckingen, ein Langsamfahrsignal aufgestellt worden. Noch ist es abgedeckt.
Foto: © Rainer Gerber

Scheinbar machte man sich aber während der nächsten Monate weitere Gedanken über die Änderung der Stellwerksanlagen in Wehr. Die im Gleis 1 liegende Weiche 16, welche die südliche Zufahrt zu den Ladegleisen 3 und 4 ermöglichte, war bisher Handweiche und mittels Verriegelun1g durch Drahtzug in das Befehlswerk des Fahrdienstleiters eingebunden. Sie sollte künftig vom Fahrdienstleiter-Stellwerk aus bedient werden.

Am 2.Weihnachtstag, dem 26. Dezember 1920 muss der Stationsvorstand von Wehr anscheinend eine ruhige Dienstschicht erlebt haben, denn er schrieb an diesem Tag einen Brief an die Betriebsinspektion nach Basel:

"die Aufstellung der zweiflügligen Signale betr."
"Vor etwa 2 - 3 Wochen wurden wir aufgefordert, uns zu äußern über die Aufstellung eines Blockapparates, von welchem die Weichen 16 und 17 bedient werden sollen. Unsere Einsprache dagegen wurde anscheinend nicht geprüft, denn inzwischen ist von Appenweier oder Murhag ein Blockapparat mit 2 Weichenhebel, vermutlich für die Weichen 16 und 17, eingetroffen."
(Weiche 17 war die Einfahrweiche aus Richtung Öflingen)

"Sollte diese Einrichtung in Betrieb gestellt werden, so müssen wir wiederholt darauf hinweisen, daß sich ganz erhebliche Schwierigkeiten einstellen werden, denn unter anderem leidet der Dienst im Bureau oder das Verschubgeschäft bei den Zügen Not. Abgesehen von diesem läßt es auch der Personalstand der hies. Station nicht zu, daß neben dem umfangreichen Verkehr, der zu bewältigen ist, täglich noch ein Beamter 2 - 3 Stunden zur Bedienung der Weichen verwendet werden kann. Wenn dieses trotzdem verlangt wird, wären wir genötigt, wegen Personalaufstockung entspr. Antrag zu stellen. Wenn noch tunlich, möchten wir bitten, wegen Änderung der geplanten Anlage das Erforderliche zu veranlassen."

Die Betriebsinspektion Basel reichte das Schreiben weiter an die Bahnbauinspektion mit dem Vermerk:

"Wir haben s.Zt. darauf hingewiesen, daß die Wch. 16/17 vom Fahrdienstleiter nicht bedient werden können und deshalb eine Änderung der Einrichtung, wie sie die Maschinenfabrik Bruchsal vorgeschlagen hatte, nötig ist."

Am 31.12.1920 antwortete die Generaldirektion aus Karlsruhe:

"Da die Weichen 15/16 höchstens bei den Zügen 7862 und 7863 umgestellt werden müssen, oder wenn bei einem durchlaufenden Pz einmal ein Wagen ein- oder auszustellen ist, so wolle nochmals geprüft werden, ob der Fdl während der Züge 7862 und 7863 alleine im Büro ist. Der Einwand, dass der Fdl die Weiche 15 bei besetztem Hallengleis nicht übersehen kann, ist nicht stichhaltig. Durch Vortreten gegen das Gleis 1 kann sich der Fdl vom Freisein der Weiche mühelos überzeugen."
(Weiche 15 führte vom Gleis 3 Richtung Süden zur Güterhalle.)

"Eine Stellungnahme zum Bau eines neuen Stellwerks, neben dem Freigabewerk erübrigt sich, weil diese Lösung wegen der sehr hohen Kosten nicht in Frage kommt. Die Einbeziehung der Weichen 15/16 in das Freigabe- und Stellwerk ist die einfachste, betriebssicherste und billigste Lösung dieser Frage. Der Fdl wird bei einigermaßen gutem Willen sehr wohl in der Lage sein, die Weichen selbst zu bedienen."

Die Station Wehr nahm am 9. Januar 1921 Stellung zum vorstehenden Schreiben aus Karlsruhe:

"Bei Zug 7862 wird solange das Verschubgeschäft dauert über die Weiche 16 gefahren, ebenso bei Zug 7863. Bei Zug 7862 und 7863 ist in den meisten Fällen nur ein Fahrdienstleiter im Bureau. Diesem kann neben dem Schalter, Frachtgeschäft und Telegraphendienst nicht noch die Bedienung der Weiche 16 zugemutet werden. Wenn dieselbe, wie es bis jetzt der Fall war, von dem Ausfahrsignal abhängig gemacht wird, so kann die Bedienung von Hand ohne Gefahr auch weiterhin stattfinden".

Im Übrigen wurde nochmals auf den Bericht vom 26.12.1920 verwiesen.

Die Betriebsinspektion Basel berichtete am 10. Januar 1921 nach Wehr, daß es nach dem vorliegenden Dienstplan nicht vorkommt, daß der Fahrdienstleiter am Nachmittag alleine im Büro wäre und ersuchte um Aufklärung hierüber. Station Wehr antwortete wie folgt:

"Unsere Angaben vom 9. ds. Mts. haben wir dahingehend zu ergänzen, daß der neben dem Fdl noch anwesende Schalterbeamte mit der Abfertigung der Frachtbriefe für die Güter, welche mit Zug 7862 abgehen, vollauf in Anspruch genommen ist. Dieselben werden in der Zeit zwischen 11 und 12 Uhr von den Todtmooser Frachtfuhrwerken und den hiesigen Geschäften aufgeliefert. Der Fahrdienstleiter hat dann den Expreß- und Frachtgutschalter und Telegrafendienst zu besorgen. Der Schalterbeamte ist nicht in der Lage, ihn hierin zu unterstützen. Mit dieser Gelegenheit möchten wir gleichzeitig beantragen, daß wenn der Blockapparat, nicht wie es urspr. von der Maschinenfabrik Bruchsal vorgesehen, im Bureau aufgestellt wird, also wieder vor das Fahrdienstzimmer zu stehen kommt, ein Schutzdach über demselben angebracht wird. Bei nasser Witterung wirkt es immer störend, wenn die nassen und schmutzigen Hebel benutzt werden müssen. Der bedienende Beamte ist jedes Mal genötigt, die Hände zu waschen, was in jedem Fall wieder ein Zeitverlust bedeutet. Auch für den Apparat selbst dürfte ein solches von Nutzen sein, da erfahrungsgemäß durch Witterungseinflüsse viele Störungen eintreten."

(Da kann auch der Schreiber dieser Zeilen "ein Lied davon singen" als er in den Jahren 1967 und 1968 in Wehr als Schalterbeamter und Fahrdienstleiter tätig war. Im Winter war der "Blockapparat" über Nacht meistens eingefroren und er ließ sich in der Regel nur durch Fußtritte und Hammerschläge wieder in Bewegung bringen.)

Und so schrieb dann die Betriebsinspektion Basel bereits am 11. Januar 1921 nach Karlsruhe:

"Wenn auch die Weichen 15/16 in Wehr in der Hauptsache nur bei den Zügen 7862 und 7863 benötigt werden, so ist zu bedenken, daß diese Weichen während des ganzen Aufenthalts bzw Verschubgeschäftes der genannten Züge bedient werden müssen. Das Verschubgeschäft dauert bei jedem Zuge nahezu eine Stunde, denn der Verkehr ist im Vergleich zur Bedeutung der Station sehr stark, er übertrifft tatsächlich den Verkehr vieler Stat. II. Kl.. Der Dienstvorstand wie das Abfertigungspersonal sind sehr stark in Anspruch genommen."

Weiter wurden nochmals sämtliche oben bereits erwähnten Einwände aufgelistet. Auch wurde auf die Dringlichkeit eines Schutzdaches hingewiesen.

Dieses Schreiben schien die Direktion allerdings wenig zu beeindrucken, denn am 22. Januar 1921 wurde dort entschieden:

"Nachdem festgestellt ist, daß die Weichen 15/16 in der Hauptsache nur bei den Zügen 7862 und 7863 umgestellt werden müssen und der Fdl zu diesen Zeiten nicht alleine ist, bestehen gegen die Einbeziehung der Weichen in das Stellwerk keinerlei Bedenken mehr. Es ist nicht gesagt, daß der Fdl die Weichen immer selbst bedienen muss; dies kann auf seinen ausdrücklichen Auftrag hin auch durch einen anderen Bediensteten, der in der Bedienung der Weichen unterrichtet ist, geschehen. Wegen des Schutzdaches erwarten wir von der Bbaui Vorschläge.
gez. Grimm"

Anscheinend wurde dann gegen diese Anordnung der Direktion nochmals interveniert, denn am 22. März 1921 meldete sich die Direktion erneut und schrieb:

"Unter Würdigung der durch den Betrieb geltend gemachten Gründe nehmen wir davon Abstand, die Weichen 15/16 in Wehr an das Stellwerk anzuschließen. Die Bedienung soll wie bisher von Hand am Ort erfolgen."

Im Zuge des Umbaues der Wehrer Stellwerksanlagen auf zweiflüglige Signale wurde dann am 5. April 1921 das Einfahrvorsignal A aus Richtung Schopfheim - Hasel um 200 Meter Richtung freie Strecke versetzt.

Am 23. Juni 1921 wurde das Stationskurbelwerk vorläufig außer Betrieb genommen und durch provisorische Kurbeln links und rechts der Türe zum Fahrdienstzimmer ersetzt. Die Abhängigkeit von Weichen und Signalen war vorübergehend aufgehoben, und die Station durfte von Personenzügen mit höchstens 45 km/h durchfahren werden, für Güterzüge waren 30 km/h erlaubt.

Am Freitag, 1. Juli 1921 waren die Umbauarbeiten bereits beendet und der "neue" Block-und Stellwerksapparat wurde in Betrieb genommen. Die bisherigen einflügligen Einfahrhauptsignale A und F gingen außer Betrieb, dafür wurden die neuen zweiflügligen Signale AAo (Fahrrichtung Hasel - Wehr) und FFo (Fahrrichtung Öflingen - Wehr) am Standort der alten Signale in Betrieb genommen.

Stellwerkstechnisch blieb - außer dem Einbau der zweiflügligen Signale - praktisch alles bei Alten. Wann dann das Stellwerk I die im Jahre 1915 beantragte Überdachung bzw. "Holzverschalung" erhalten hat, ist aus den Akten nirgends ersichtlich. Sie könnte vielleicht bereits 1915 aufgestelllt worden sein. Die durch eine glückliche Fügung wieder aufgetauchten Baupläne der Gr. Bahnbauinspektion in Lörrach für die

stammen vom 12. August 1915.
(Durch anklicken obiger Überschrift gelangt man zu den Bauplänen der Schutzhütte = 212 KB)

Leider ist in den uns vorliegenden Akten nirgends vermerkt, wann der Blockapparat vor dem Fahrdienstzimmer endlich sein Schutzdach erhalten hat.

Stationsvorstand Ludwig Kisselmann mit Frau Gemahlin und Tochter vor dem Blockapparat in Wehr.
Herr Kisselmann war einer der am längsten in Wehr tätigen Stationsvorstände.
(Das Foto soll 1929 entstanden sein, das Schutzdach über den Blockapparat ist noch nicht montiert.)
Foto: © Slg. Karl Volz (Archiv Eisenbahnfreunde Wehratal e.V.)

Mehr über den Oberbahnhofsvorsteher Kisselmann erfahren Sie hier

Das Bahnhofspersonal hat sich vor dem "Fahrdienstzimmer" und dem alten Blockapparat in Position gestellt.
"Frau Bahnhofsvorstand" beobachtet die Szene aus dem Fenster der Dienstwohnung.
(Man beachte die riesige Glühlampe samt Zuleitung am Joch der Oberleitung sowie die Spannwerke für die Oberleitung innerhalb des Gittermasten)
Foto: © Slg. Karl Volz (Archiv Eisenbahnfreunde Wehratal e.V.)


Dieses Foto des Bahnhofs Wehr dürfte Ende der der Zwanziger-Jahre entstanden sein,
der Blockapparat vor dem Fahrdienst-Zimmer besitzt jetzt ein Schutzdach.
Der Prellbock am Rampengleis 3 dürfte kurz zuvor wieder einmal einen unsanften Aufstoß erlitten haben.
Foto: © Archiv Eisenbahnfreunde Wehratal e.V.

Im Jahre 1928 beantragte man wegen des enorm gestiegenen Verkehrs die Erweiterung der Gleisanlagen. Am 2. August 1933 erinnerte man sich bei der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft, Reichsbahndirektion Karlsruhe, an das Vorhaben und fragte in Basel - jetzt beim Reichsbahn-Betriebsamt - nach, ob die Erweiterung noch erforderlich wäre. Von dort erhielt man zur Antwort:

"Die beantragte Erweiterung der Gleisanlage im Bahnhof Wehr kann vorerst noch unbedenklich zurückgestellt werden. Der Verkehr hat im Bahnhof Wehr ist infolge der allgemeinen Wirtschaftskrise und des Wettbewerbes mit dem Kraftwagen zurückgegangen, so daß die vorhandenen Anlagen den zur Zeit gestellten Anforderungen genügen."

Im September 1933 dachte man dann in Karlsruhe auch noch daran, die Weichenverbindung 7/10 auszubauen. Alle Argumente des Bahnhofs Wehr sowie des Betriebsamtes Basel zum Erhalt dieser beiden Weichen nutzten nichts.

Am 20. 12. 1933 schrieb die Direktion an das Betriebsamt Basel, dass die Weichen 1, 2 (Einfahrt aus Richtung Hasel) sowie 17 (Einfahrt aus Richtung Öflingen) im Jahre 1934 ausgewechselt werden sollen und damit auch eine Änderung der Gleislage verbunden wäre. Zudem wären die Weichen 7 und 10 entbehrlich und daher auszubauen.

Damit sich das Betriebsamt Basel "ein klares Bild über die vom Bahnhof Wehr bei Wegfall der Weichenverbindung 7/10 geschilderten betrieblichen Nachteile" machen konnte, wurde die Bahnmeisterei Säckingen am 15. Januar 1934 beauftragt, die beiden Weichen für 4 Wochen im geraden Strang mit Weichenschlössern zu verschließen und die Schlüssel nach Basel abzuliefern.

Am 12. Februar 1934 meldete der Bahnhof Wehr nach Basel, daß durch den Verschluß der Weichen 7/10 keine wesentlichen Störungen und Verspätungen eingetreten waren und somit "sind die gegen den Ausbau gehabte Bedenken gegenstandslos geworden."

Die Weichen 7/10 wurden dann im Lauf des Jahres 1934 ausgebaut. Die einstmals dazugehörenden Weichen 8/9 dürften erst zwischen 1950 und 1960 ausgebaut worden sein. Im Gleisplan von 1949 sind sei noch enthalten, in demjenigen von 1960 nicht mehr.


Die Signalbrücke von Wehr mit den beiden Ausfahrsignalen Richtung Schopfheim, bedient vom Stellwerk I
Der linke Signalmast (von Gleis 2) ist noch mit einem badischen Signalflügel versehen
© Roland Haas

Im Jahre 1952 machte man sich anscheinend wieder Gedanken über eine Verbesserung der Zustände bei Wehrer Stellwerk. Es passierte etwas, an das wohl niemand mehr gedacht hatte: am 10. Februar 1952 entstand am Zeichenbrett der damaligen Bahnmeisterei Säckingen ein

"Entwurf zum Stellwerksneubau im Bahnhof Wehr (Baden)"

Leider blieb aber dieser Entwurf ein Wunsch-Denken und ist nie zur Ausführung gelangt. Er versank tief in den Schubladen der Planer und ist erst dieser Tage durch eine glückliche Fügung wieder entdeckt worden.

Vermutlich auch deshalb, weil nachstehendes vielleicht schon "in der Luft lag":

Im Jahre 1960 machte man sich wieder Gedanken über eine Änderung des Spurplanes im Bahnhof Wehr. Da die Totalerneuerung der Oberleitungsanlage aus dem Jahre 1913 anstand, wollte man Nägel mit Köpfen machen und gleich zahlreiche Weichen einsparen. Das Hin- und Her zwischen Betriebsdienst und Verkehrsdienst, welche Weichen künftig noch gebraucht werden und welche nicht, dauerte sehr lange. Natürlich versuchte der Betrieb, die erst im Jahre 1959 erneuerten Weichen 11, 12, 13 und 14 zu erhalten und man wies darauf hin, dass diese Weichen noch mindestens für weitere 30 Jahre ihren Dienst erfüllen könnten.

Für die große Überraschung sorgte ein Schreiben aus Karlsruhe vom 31. Oktober 1961:

"Die Signalanlagen des Bahnhofs Wehr bedürfen dringend der Erneuerung, weshalb vorgesehen ist, bei der HVB (= Hauptverwaltung der Bundesbahn) die Erneuerung in DrS 2-Technik (Gleisbild-Stellwerk) zu beantragen. Bevor der Antrag gestellt wird, ist von Ihnen der Spurplan des Bfs auf Vereinfachung zu prüfen, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist. Insbesondere scheinen zu viele Weichenverbindungen vorhanden zu sein. Ob die Gleise künftig auch noch in der vollen Länge vorhanden sein müssen, wäre ebenfalls zu untersuchen. Ferner bitten wir zu prüfen, ob beim Bau einer Umgehungstrasse in Wehr auch daran gedacht ist, den vom Stellwerk 1 aus fernbedienten Bahnübergang zu unterführen. Gegebenenfalls könnte die Umwandlung in einen ortsbedienten Bahnübergang und die Erstellung einer Wärterhütte erspart werden."

Doch all die schönen Pläne wurden nicht mehr umgesetzt. Die Weichen wurden zwar noch für den Betrieb des vorgesehenen Dr-Stellwerkes umgebaut, dann aber vereitelten Geldmangel, Uneinigkeit, aus welchen Mitteln das Ganze bezahlt werden sollte und die Ungewissheit über den Weiterbestand der Strecke alle weiteren Pläne.

Die Wehrer Stellwerksanlage dürfte deshalb mit ihrer altbadischen Kugelblockanlage eine der ältesten betriebsfähige Anlagen dieser Art in Deutschland gewesen sein.

Am 18. März 1971, zwei Monate vor der Stilllegung, wurde die alte Badische Signalbrücke, auf welcher sich die Ausfahrsignale Richtung Schopfheim befanden, wegen Baufälligkeit abgerissen und durch neue Formsignale ersetzt.


Der Dampfkran zum Abbau der Signalbrücke rückt an.
Die Signale auf der Brücke sind bereits umgelegt und durch neue Formsignale ersetzt.
Foto: © Roland Haas


Während der nächtlichen Betriebsruhe verrichtet der Dampfkran sein Werk
Foto: © Roland Haas

Eine Bildergalerie über den Abbau der Signalbrücke finden Sie hier

Auch der 1971 im Bau befindliche Streckenblock zwischen Wehr und Säckingen zur Absicherung eines neuen Gleisanschlusses (Weißenberger) auf der freien Strecke in Kilometer 11,340 wurde von der Stilllegung der Strecke überrascht und kam nicht mehr zur Vollendung.

Am 22. Mai 1971 fuhr auf der Wehratalbahn der letzte Personenzug, am 1. August 1971 verkehrte der letzte Güterzug zwischen Schopfheim und Wehr. Ab 2. August 1971 wurde Wehr im Güterverkehr von Säckingen aus bedient. Dieser Termin wurde übrigens den beteiligten Stellen per Bahndienst-Fernschreiben (Telegramm) bekannt gegeben.

Für die Durchführung der Übergabefahrten zwischen Säckingen und Wehr wurde eine besondere Fahrplananordnung erstellt.

Signalanlagen brauchte man hierfür nicht mehr, sie wurden am 3. September 1973 außer Betrieb genommen und bald darauf abgebaut.

Abgebaute Signalflügel am Einfahrsignal A aus Richtung Hasel
Foto: © Günther Leber


Bahnhof Wehr nach Abbau der Signalanlagen und Ausbau von Gleis 2
Für den Busverkehr wurde eine neue Wartehalle mit Kiosk und WC errichtet.
Foto: © Rainer Gerber

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