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Der Einbruch

Einbrecher sind nicht nur zur heutigen Zeit vermehrt tätig, bereits im Jahre 1913 hatte man mit ihrem ungesetzlichen Treiben zu tun. Am 29. Dezember 1913 fertigte der Wehrer Bahnhofsvorstand Kisselmann folgende Aktennotitz:

"Heute früh 4.20 wurde ich, der Unterzeichnete von Güterarbeiter Nägele, welcher Frühdienst hatte, geweckt. Als er in das Abf-Büro kam, bemerkte er sofort, daß ein Einbruch verübt worden war."

Am 30. Dezember 1913 wurde dann folgendes protokolliert:

"Geschehen Wehr, den 30. Dezember 1913. Vor Statvst. Kisselman gibt Güterarbeiter A. Nägele auf Befragen an: Um 4.15 kam ich in das Büreau und machte Licht. Sofort bemerkte ich, daß das Fenster über der Eingangstüre zum Fahrdienstzimmer offen und herunter-gelassen war, neben der Türe stand eine Leiter. Ich vermutete sofort, daß eingebrochen wurde, da an den vorderen zwei Tischen je eine Schublade halb geöffnet war. Sofort sah ich am Schalter nach, auch hier war die linke Schublade etwa 5 cm offen. Beim Öffnen desselben bemerkte ich, daß im ganzen nur 3 Pf in Kupfer vorhanden waren. Dadurch fand ich meine Vermutung, daß ein Einbruch verübt wurde, bestätigt. Ich weckte sofort den Dienstvorstand, welcher alsbald kam und weitere Nachforschungen anstellte. Verdächtige Personen habe ich auf meinem Weg zum Dienst nicht angetroffen."

Der Wehrer Stationsvorstand fertigte einen weiteren Aktenvermerk "über die Wahrnehmungen des Statvst. Kisselmann":

"Am 28. hatte ich den Spätdienst versehen. Gegen 10 Uhr kam ein etwa 20 - 22-jähriger blonder Mann an den Schalter und fragte, wann der letzte Zug von Säckingen hier eintrifft. Die gewünschte Auskunft wurde ihm erteilt und er entfernte sich wieder. Um 10.40 etwa kam er erneut an den Schalter und hatte noch einen gleichaltrigen aber kleineren Mann bei sich, welcher sich etwas abseits hielt. Er fragte, was eine Fahrkarte nach Villingen koste und als ich ihm dies bekanntgegeben, kam der andere und fragte, was eine solche nach Pfullendorf koste, worauf ihm ebenfalls Auskunft erteilt wurde. Sie gingen dann beide weg. Diese beiden Personen kamen mir etwas verdächtig vor, nachdem sie sich aber wieder entfernten, nahm ich an, daß es sich um Arbeiter handle, die nur vorübergehend an Neubauten beschäftigt sind und nach Ausführung derselben wieder abreisen. Nach Dienstschluß überzeugte ich mich jedoch noch eingehend, ob alles gut verschlossen sei. Nachdem ich alles in Ordnung befunden, begab ich mich in meine Wohnung.
Um 4.20 Uhr wurde an der Hausglocke geläutet. Ich begab mich sofort in das Bureau wo mir dann der Güterarbeiter Nägele meldete, es sei eingebrochen worden. Ich fand denselben Zustand, wie er vorseits von Nägele angegeben, noch vor. Die Nachforschung ergab, dass die eine Schublade in der Schalterkasse, welche leer war, gewaltsam erbrochen wurde und die andere, in welcher noch etwas Nickel und Kupfer als Wechselgeld aufbewahrt war, mit dem in ersterer sich befindlichen Schlüssel geöffnet und der Inhalt bis auf 3 Pf. geraubt wurde. Aus den anderen Schubladen, welche offen standen, wurde nichts entwendet. Dagegen ist in der Schublade des Tisches beim Schalter die sogenannte Pluskasse mit über 3 Mark entleert worden. Letzteres wurde erst nachträglich festgestellt. Ich ließ sofort die Gendarmerie rufen. In dem frisch gefallenen Schnee konnten keine Spuren gefunden werden. Durch die Stat. Säckingen ließ ich die dortige Gendarmerie, sowie die Stationen in Richtung Basel und Waldshut verständigen. Der Abschluß der Güterkasse ergab, dass der Betrag von 5,89 fehlt. Derselbe wurde für Expressgutsendungen teilweise vereinnahmt bzw. als Wechselgeld bereitgehalten. Kisselmann, Statvorst"

Die gesamte Niederschrift des Bahnhofsvorstandes über den Einbruch wurde an die Betriebsinspektion in Basel geschickt, mit dem Vermerk:

"Der entwendete Betrag von 5 M 89 Pf wurde im Güterschalter zugelegt und in der Vorschussrechnung verausgabt. Bitten Ausgabeanweisung veranlassen zu wollen."

Dem Schreiben wurde auch noch eine Lage-Skizze beigefügt.



X = Einbruchstelle (Bahnsteig)
XX = Schalterkasse u. Tisch wo geraubt wurde

Die Betriebsinspektion in Basel ersuchte dann die Bahnmeisterei Wehr um "Mitteilung der durch den Einbruch etwa notwendig gewordenen Instandsetzungskosten."

Die Bahnmeisterei Wehr teilte noch am 1. Januar 1914 nach Basel mit:

"Durch den Einbruch wurde am Oberlichtfenster an der Eingangstüre ins Fahrdienstzimmer eine Fensterscheibe beschädigt, deren Ersatzkosten 1,70 M beträgt. Sonstige Beschädigungen sind nicht vorgekommen."

Die Großh. Generaldirektion der Badischen Staatseisenbahnen erstattete bei der Großh. Staatsanwaltschaft in Waldshut wegen dem Einbuch Anzeige gegen Unbekannt.

"Großh. Staatsanwaltschaft Waldshut. Wir übersenden die bahndienstlichen Untersuchungsakten und ersuchen ergebenst um Verfolgung und Benachrichtigung vom Ausgang der Sache."

Anscheinend muss in der selben Nacht vermutlich von den selben Tätern auch beim Bahnhof Öflingen ein Einbruch verübt worden sein, denn am 12. Mai 1914 schickte die Generaldirektion an die Betriebsinspektion in Basel den nachstehenden Erlaß:

"Einbruchsdiebstahl in die Stationsgebäude von Wehr und Öflingen 28./29.12.13":
"Die Grh. Staatsanwaltschaft Waldshut hat das Verfahren wegen Nichtermittlung des Täters in beiden Fällen (Wehr & Öflingen) eingestellt:"

Die Station Wehr hat für den entwendeten Betrag von 5 M 89 Pf von der Hauptkasse Deckung erhalten. In Öflingen haben die Einbrecher anscheinend kein Geld gefunden.

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