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Die Beschwerde

über die "Verhältnisse am hiesigen Bahnkörper"

Es war im November 1908, als der Direktor Carl Denk der Firma Mechanische Buntweberei Brennet über diverse Zustände auf der Ladestraße des Bahnhofs Wehr wohl sehr erbost war. Besonders die Holzlagerplätze am Ladegleis im Bereich des Ladekranes dürften seine Firma beim Verladegeschäft behindert haben. Er schreib deshalb am 12. November 1908 an die Großhherzogliche Betriebsinspektion in Basel einen geharnischten Brief:

"Obwohl der Güterverkehr in den letzten ca. 10 Jahren eine bedeutende Steigerung erfahren hat, sind die Verhältnisse am hiesigen Bahnkörper bis jetzt dieselben geblieben. Diese haben sich nun aber, wie schon in sehr zahlreichen und sich immer wiederholenden Fällen konstatiert werden mußte, im Laufe der zeit als vollständig unzulänglich erwiesen, weshalb unsere ergebene Bitte dahin geht, es möchten in tunlichster Bälde Mittel und Wege zur Erleichterung des Verkehrs geschaffen werden, sei es durch Erstellung eines Ausladegeleises, sei es durch Verlegung des Holzplatzes nach hinten, oder auf sonst eine geeignete Weise.
In dieser Erwartung zeichnen wir Hochachtungsvoll..."

Die Betriebsinspektion in Basel verlangte darauf hin von der Station Wehr einen eingehenden Bericht. Und Wehr berichtete am 25. November 1908 nach Basel:

"Die Ausführungen des Reklamanten sind insofern unzutreffend, als letzmals im Jahr 1906 gelagert, seit der Versetzung der Gleiswaage von ihrem früheren Platze, in der Nähe des Lastkranes, nach ihrem jetzigen Platze unterhalb der Weiche 12 gegenüber der Weiche 10, der verfügbare Platz (nach Kündigung eines bis dahin verwendeten Holzlagerplatzes) am Freiladgleis um etwa 175 m³ vergrößert wurde. Trotz dieser Vergrößerung erweist sich das Freiladegleis zu Zeiten stärkeren Verkehrs vielfach als unzulänglich. Diesem Übelstande könnte am einfachsten dadurch abgeholfen werden, daß der in der Nähe der Seitenrampenauffahrt aufgestellte Lastkran hinter die Gleiswaage, etwa gegenüber der Weiche 8, versetzt würde, wodurch das Freiladegleis für etwa 3 weitere Wagen benützbar werden würde.
Nicht nur, daß die Aufstellung des Lastkranes an seinem jetzigen Platze allein schon sehr hinderlich beim Ausladen von Wagenladungsgütern empfunden wird, verliert der Platz am Freiladegleis durch das von Bauern gelagerte und zu verladende Langholz nicht selten bis zu 20 m an nutzbarer länge. Die Erstellung eines besonderen Ausladegleises halten wir bei den hiesigen Platzverhältnissen für unmöglich, bei den jetzigen Verkehrsverhältnissen aber auch für überflüssig. Vielmehr sind wir fest überzeugt, daß nach Versetzung des Lastkranes das Freiladegleis auch gesteigerten Ansprüchen genügen wird, wenn die an diesem Gleis verkehrenden Interessenten gegenseitig gebührend Rücksicht aufeinander nehmen."

Die Betriebsinspektion in Basel ließ sich anscheinend etwas Zeit mit einer Antwort an Herrn Denk, denn dieser schrieb am 24. Dezember 1908 erneut nach Basel:

"Wir beziehen uns auf unser ergebenes Schreiben vom 12. pass. und möchten uns hiermit die höfliche Anfrage erlauben, wie Sie die Verkehrsverhältnisse am hiesigen Güterbahnhof zu verbessern gedenken, wiederholt bemerkend, daß eine Änderung in dieser Hinsicht dringend nötig erscheint. Gefl. Rückäußerung entgegensehend, zeichnen wir Hochachtungsvoll Carl Denk."

(Das Schreiben trägt übrigens den Eingangstempel vom 25. Dezember 1908, was bedeutet, daß man damals bei vorgesetzten Dienststellen auch am Weihnachtsfeiertag präsent war.)

In Basel erstellte man darauf hin sofort ein Antwortschreiben an die Mechanische Buntweberei Brennet in Wehr:

"Wir bestätigen den Empfang Ihrer geschätzten Zuschriften vom 12. v.Mts und vom 24. d. Mts. und erwidern ergebenst, daß nach dem Ergebnis unserer Erhebungen die Gleis- und sonstigen Stationsanlagen in Wehr im Verhältnis zum Verkehr dieser Station sehr reichlich bemessen sind, und selbst bei einer weiteren Verkehrssteigerung noch ausreichen werden. Ein Bedürfnis nach Erstellung eines weiteren Ausladegleises können wir unter den gegebenen Umständen nicht erkennen. Wir sind deshalb auch nicht in der Lage, eine Erweiterung der Station bei unserer vorgesetzten Behörde zu beantragen. Im Übrigen bemerken wir noch ergebenst, daß uns, von Ihrer Beschwerde abgesehen, noch keinerlei Klagen über Erschwernisse des Verkehrs beim Bahnhof Wehr oder Wünsche nach Verbesserung der dortigen Anlagen zugekommen sind."

In Basel blieb man weiterhin nicht untätig und setzte sich mit der Bahnbau-Inspektion Waldshut in Verbindung. Von dort wollte man wissen, was das Versetzen des Kranes kosten würde. Auch wurde die Kündigung einiger Holzlagerplätze vorgeschlagen.

Aus Waldshut erhielt man die Antwort, daß man sich von einer Versetzung des Kranes, welche etwa 400 Mark kosten würde, keinen Erfolg verspricht. Würde der Kran, so wie vom Bahnhof Wehr vorgeschlagen, gegenüber der Weiche 8 aufgebaut, so ergäben sich auch neue Schwierigkeiten bei der Anfuhr von Langholz. Da am Ende der Ladestraße keine Kehre vorhanden ist, müsste ein Teil des Langholzes rückwärts an den Kran gefahren werden. Wenn Bedürfnis zum Ersatz gekündigter Lagerplätze besteht, könnte man diesen Platz nur durch Verlängerung der Gleise 3 oder 4 nach Westen schaffen. "Die Kosten hierfür werden aber ziemlich hoch sein".

Nach dieser Antwort aus Waldshut fertigte man in Basel einen Aktenvermerk:

"Gelegentlich eines Stationsbesuches wurde die Angelegenheit geprüft, die Versetzung des Kranes aber nicht für zweckmäßig erachtet und auch eine sonstige Änderung nicht für notwendig befunden, daher zu den Stat.Akten Wehr".

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