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Die Schiffbrücke

zwischen Hüningen und Weil

Der Rhein war bei Hüningen in früheren Zeiten immer als Überquerungspunkt beliebt. Seit 1474 gab es zwischen den Gemeinden Hüningen und Weil (Friedingen) verschiedene Verbindungen über den Rhein. Meist dienten sie kriegerischen Zwecken. Bis zum Jahre 1872 wechselten sich feste Brücken, Schiffsbrücken und eine "fliegende Brücke" ab. Auf ihre Geschichte soll hier aber nicht näher eingegangen werden.

Nachdem im Jahre 1871 das Elsaß "Deutsches Reichsland" wurde, errichtete man 1872 für den Zivilverkehr eine neue Schiffsbrücke zwischen den beiden Orten. Sie war fortan einer der am meisten benutzten Rheinübergänge am Oberrhein. Der Wunsch der anliegenden Gemeinden, hier eine feste Brücke zu errichten, blieb ihnen allerdings bis ins Jahr 2007 verwehrt.

Mit zunehmendem Verkehr der Rheinschifffahrt wurde die Schiffbrücke immer mehr zu einem Verkehrshindernis. Mehrmals am Tage musste sie für die Durchfahrt der Schiffe geöffnet werden. Hinzu kamen Sperrungen der Brücke wegen Hochwasser oder wegen Brückenschäden.

Was blieb der leidgeplagten Bevölkerung anderes übrig, als die etwa 1 Kilometer nördlich gelegene Eisenbahnbrücke zur Rheinüberquerung zu benutzen.


Die Schiffbrücke über den Rhein, Blick Richtung Hüningen
Foto: Archiv Eisenbahnfreunde Wehratal e.V.

Über die Benützung der Eisenbahnbrücke durch Fußgänger liegen uns einige Vorgängen vor:

Am 17. Mai 1930 sandte der Vorsteher des Bahnhofs Basel Rbf an die Reichsbahndirektion in Karlsruhe den folgenden Telegrammbrief:

"Wegen Beschädigung von 2 Brückenjochen wurde die Schiffbrücke Friedlingen - Hüningen abgefahren und es bleibt der Übergang über diese Rheinbrücke auf voraussichtlich 14 Tage gesperrt. Die französischen Stellen - Bahnmeisterei Hüningen und das Grenzkommissariat - haben nun gestattet, daß die Eisenbahnbrücke Palmrain - Hüningen von Fußgängern benutzt werden darf.

Da bei dieser Regelung die den deutschen Bahnkörper vom Brückenende am Ostufer des Rheins bis zum Stellwerk 2 des Bahnhofs Palmrain begehen müssen, haben wir Bedenken für die Sicherheit dieses Verkehrs.

Wir bitten daher um Entschließung, ob das Begehen des Bahnkörpers für die Dauer der Unterbrechung des Verkehrs über die Schiffbrücke zugelassen ist. Die an der Eisenbahnbrücke aufgestellten Zollposten und der eisenbahnseitig gestellte Bahngehilfe haben Weisung, jeweils 10 Min. vor Fälligkeit eines Zuges die Brücke zu sperren."

Weiter ist vermerkt:

"Der Verkehr über die Schiffbrücke wurde am Samstag, den 24.5.1930 im Laufe des Vormittags wieder freigegeben".

Anscheinend fanden anschließend Verhandlungen mit dem Bezirksamt in Lörrach und mit dem Wasser- und Straßenbauamt statt.

Die Reichsbahndirektion Karlsruhe berichtete am 3. Dezember 1930 an das Betriebsamt in Basel:

"Auf den vom Wassser- und Strassenbauamt vorgeschlagenen, neu zu erstellenden Verbindungsweg, können wir nur dann eingehen, wenn uns keinerlei Kosten treffen und die Anlage so gebaut werden kann, dass jede Haftungsgefahr für uns ausscheidet. Das benötigte bahneigene Gelände kann unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.
Wir ersuchen, dem Bezirksamt keine Zweifel darüber zu lassen, dass wenn vorstehende Bedingungen nicht erfüllt werden, wir künftig nach vorheriger Verständigung der Eisenbahnverwaltung in Strassburg den Fussgängerverkehr vom rechtrheinischen Brückenwiderlager ab unnachsichtlich sperren und gegen Zuwiderhandelnde bahnpolizeilich einschreiten werden.
Das Eisenbahnhaftpflichtgesetz legt der Reichsbahn durch seine scharfen Bestimmungen so strenge Haftung auf, dass das bisherige Verfahren unter keinen Umständen belassen werden kann.
Über das Ergebnis der Verhandlungen mit dem Bezirksamt ist seiner Zeit zu berichten"

Offenbar hatten sich aber in der Zwischenzeit die Fußgänger selbst geholfen, um nach dem Überqueren der Eisenbahnbrücke das Gelände des Bahnhofs Palmrain nicht mehr betreten zu müssen. Am Ostende der Brücke war an der Südseite des Bahndamms eine Art Treppe entstanden.

Der Bahnhof Basel Rbf ordnete, wohl auf Grund obigen Schreibens der Direktion an:

"Die an der südlichen Böschung des Bahndammes zwischen der Brücke und dem Wegübergang eingetretene Treppe ist sofort einzuebnen und es ist dauernd darüber zu achten, daß sie, auch nicht von anderen Stellen, wieder erscheint.
Der Vollzug ist kurz schriftlich hierher anzuzeigen".

Am 4. Februar 1931 teilte die Reichsbahndirektion Karlsruhe dem Bezirksamt in Lörrach mit, daß am "6. ds. Monats, vormittags 10 Uhr" bei der Hüninger Eisenbahnbrücke eine Besichtigung durch 2 Reichsbahndirektionsmitglieder stattfinden wird. Es wird dorthin anheim gegeben, an der Besichtigung teilzunehmen."

Über das Ergebnis dieser Besichtigung ist allerdings nichts bekannt.

Das Betriebsamt in Basel überließ im Mai 1931 die Akte "Betr. Umleitung des Personenverkehrs von der Hüninger Schiffbrücke über die Eisenbahnbrücke" dem Rangierbahnhof in Basel mit dem Auftrag, zu berichten, "wie sich die AL beim nächsten gegebenen Fall einstellt".

Im Mai und Juni 1931 fertigte der Aufsichtsbeamte von Palmrain Aufzeichnungen über die Zeiten, in welchen die die Schiffsbrücke über den Rhein unterbrochen war. Bei den festgehaltenen Zeiten dürfte es sich aber überwiegend um Öffnungen der Brücke für den Schiffsverkehr und nicht um Schäden an der Brücke gehandelt haben.

Während dieser Zeit wurde kein Fußgängerverkehr über die Brücke festgestellt, außer am 10. Juni 1931. An diesem Tag war die Schiffbrücke von 7.30 Uhr bis 10.00 geöffnet und es wurden in dieser Zeit 2 Personen von Deutschland nach Frankreich und 6 Personen von Frankreich nach Deutschland gezählt.
Mit diesem Tag enden dann die Aufzeichnungen über die Brückenbenutzung.

Abschließend wurde berichtet:

"Die Schiffbrücke wird täglich durchschnittlich 2 - 3 mal geöffnet mit einer Dauer von durchschnittlich 40 bis 70 Minuten".

Am 4. September 1931 ordnete der Bahnhof Basel Rbf auf Grund einer Verfügung der Reichsbahndirektion Karlsruhe vom 22. 8. 1931 für den Bahnhof Palmrain folgendes an:

"Die Verwaltung der AL in Straßburg hat den Fußgängerverkehr über die Hüninger Eisenbahnbrücke nunmehr endgültig verboten und zu beiden Seiten der Brücke Verbotstafeln angebracht.

Auf der deutschen Seite hat die Bahnmeisterei Weil (Rhein) außerdem beim Wegübergang (beim Stellwerk 2) 2 und an der Böschung bei der Unterführung 1 Verbotstafel mit der Aufschrift "Betreten der Bahnanlagen verboten (§ 78 Ziffer 1 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung) aufgestellt.

Es muß nun darauf geachtet werden, daß das Verbot beachtet wird.
Privatpersonen, welche weiterhin die Brücke überschreiten, müssen zur bahnpolizeilichen Bestrafung gemeldet werden.

Das gesamte Bahnhofspersonal in Palmrain - insbesondere der Wärter des Stellwerks 2 - ist eingehend zu unterweisen.
Der Aufsichtsbeamte wacht darüber, daß das Verbot nicht durch Duldung von Verstößen unwirksam wird."

Und am 7. September 1931 berichtete der Bahnhof Basel Rbf an das Betriebsamt in Basel:

"Nachdem die Frage des Fußgängerverkehrs über die Hüninger Eisenbahnbrücke nun geregelt ist, legen wir die uns zugeleiteten Akten wieder vor.

Während der Unterbrechung des Verkehrs über die Schiffbrücke wurden bis etwa Mitte Juni 1931 76 Fußgänger auf der Eisenbahnbrücke beobachtet.
Seit diesem Zeitpunkt wird die Eisenbahnbrücke von Fußgängern nicht mehr benutzt."

Ob die Eisenbahnbrücke in den folgenden Jahren weiterhin von Fußgängern benutzt wurde, ist aus den vorliegenden Akten nicht ersichtlich.

Das Problem hat sich spätestens mit der Stilllegung der Bahnlinie am 4. April 1937 und dem darauf folgenden Abbau Der Brücke von selbst erledigt.


Die Schiffbrücke.
Foto: Stadtarchiv Lörrach

Beim Ausbruch des 2. Weltkrieges im Jahre 1939 wurde die Schiffbrücke abgebaut, im Jahre 1940 von deutschen Pionieren wieder erstellt.
Am 9. November 1944 riss ein Hochwasser die gesamte Brücke mit sich, sie zerschellte an den Pfeilern der ehemaligen Eisenbahnbrücke. Somit war die südlichste Verbindung zwischen Baden und dem Elsaß unterbrochen.

Von 1947 bis 1956 übernahm dann ein Dampfboot mit einem seitlich angebundenen Querponton den Verkehr über den Rhein. Das Dampfboot wurde Mitte 1956 durch ein Motorschiff abgelöst. Ab 23. Januar 1957 übernahm dann das neu gelieferte Fährschiff "Weil" den Übersetzdienst.

Nachdem dann am am 29. September 1979 die auf der Trasse der ehemaligen Bahnlinie erbaute neue Straßenbrücke ("Palmrainbrücke") dem Verkehr übergeben wurde, stellte man ab 1. Oktober 1979 den Fährbetrieb ein.

Die neue Brücke brachte für den Straßenverkehr massive Vorteile, für Fußgänger und Radfahrer war die Einstellung des Fährverkehrs allerdings von großem Nachteil. Die Benutzung der neuen Straßenbrücke machte für Fußgänger und Radfahrer große Umwege erforderlich, der Gehweg auf der Brücke war schmal und ein Radweg fehlte gänzlich.

Nach langen Verhandlungen konnte im Jahre 2007 endlich eine neue, imposante, 248 Meter lange Fußgänger- und Radfahrerbrücke zwischen Hüningen und Weil am Rhein fertig gestellt werden. Am 30. März 2007 wurde die Brücke zur Benutzung frei gegeben und am 30. Juni 2007 wurde sie mit einem Festakt offiziell eröffnet.
Die neue Brücke entstand fast genau an der selben Stelle, wo sich einstmals die Schiffbrücke befand.

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