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Das Lörracher "Trämli"

- Aus der Geschichte einer Straßenbahnlinie -

Die Stilllegung

Von der Stillegung der Lörracher Straßenbahn redete man bereits im Jahre 1963.

Die Fahrzeuge waren überaltert und nach deutschen Bestimmungen wegen des hölzernen Aufbaus des Wagenkastens nicht mehr zugelassen.

Da jedoch die Basler Verkehrsbetriebe anscheinend nicht in der Lage waren, für Lörrach brauchbare Ersatzfahrzeuge zu stellen, behalf man sich mit einer Änderung des Vertrages.

Ab 1. Juli 1963 übertrug die Stadt Lörrach den technischen Betrieb der Straßenbahn Lörrach (St.B.L.) an die Basler Verkehrsbetriebe (BVB).

Die kaufmännische Betriebsleitung blieb weiterhin bei der Stadt Lörrach.

Die BVB verpflichteten sich, in technischer Hinsicht für die Verkehrssicherheit des Betriebes der St.B.L. einschließlich des verkehrssicheren Zustandes der Straßenbahnwagen, der Oberleitung und der Gleise nach den schweizerischen Bestimmungen (Verordnung betr. den Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen vom 19.5.1929) zu sorgen.

Die BVB stellten einen technischen Betriebsleiter für die St.B.L.

Durch diesen Vertrag konnte sich die Stadt Lörrach vor dem drohenden Verlust der Konzession schützen.

Wagen 30 und 43 an der Grenze in Lörrach-Stetten
aufgenommen im August 1967 kurz vor der Stilllegung
Slg. W. Schepperle

In Jahre 1966 hatten die Basler anlässlich der Vorstellung des Kinderbuches "Die tolle Strassenbahn" besseres Wagenmaterial versprochen.

Hier ist der Beweis:

 

Dieses Versprechen hatten die Lörracher Stadtväter im Frühjahr 1967 anscheinend schon wieder vergessen: das Thema Stillegung wurde wieder aktuell.

Die Stadt Lörrach hatte im Rahmen eines Generalverkehrsplanes auch die Frage des Nahverkehres untersuchen lassen.

Ein Gutachten enthielt die Empfehlung, den Straßenbahnverkehr nicht weiter auszubauen, sondern Omnibuslinien einzurichten.

Eine Erneuerung des Wagenparks und eine Erweiterung der Bahnlinie hätten Unsummen gekostet, und man hätte in Lörrach trotzdem keine nennenswerte Verkehrsverbesserung erzielt.

Deshalb beschloß man im Lörracher Stadtrat die Betriebseinstellung des "Trämli".

Der Stilllegungstermin wurde auf den 31. August 1967 festgesetzt.

 

Die Wagen 43 und 60, im Mai 1967 abgestellt am Bahnhof Lörrach
Slg: W. Schepperle

 

Wagen 64 in Lörrach-Stetten auf der Fahrt Richtung Grenze im Jahre 1967.
Foto: Postkarte , Archiv Eisenbahnfreunde Wehratal e.V.

Die Herzen der Lörracher hingen an ihrem "Trämli".

Zum Abschied wurde auf den Verkauf von Fahrscheinen verzichtet, und so schien es, als gäbe es in Lörrach nur ein Verkehrsmittel - das "Trämli".

Es erlebte nochmals einen riesigen Ansturm. Bereits in den Morgenstunden des 31. August 1967 waren die Wagen total überfüllt. Ein jeder versuchte, letztmals einen Platz im alten Trämli zu ergattern.

Am letzten Tag des Lörracher Trämli fuhren in jeder Richtung drei Wagen im Sichtabstand.
Am Marktplatz in Lörrach sind gleichzeitig 5 der 6 vorhandenen Fahrzeuge anzutreffen.
Foto: © Foto Neumann Lörrach, Slg. W. Schepperle

Es kam zu regelrechten Stauungen. An jeder Haltestelle bildeten sich Menschentrauben. Tageszeitungen, Funk und Fernsehen brachten der Stilllegung großes Interesse entgegen.

Entlang der ganzen Strecke waren die Fotografen unterwegs, um ihre Objektive auf die vermutlich einzige grenzüberschreitende Straßenbahn Europas zu richten.

Souvenirjäger nahmen mit, was nicht niet- und nagelfest war: Schilder, Glocken, usw.

Hier einige Presseberichte

Die Abschiedsstunde für das Lörracher Trämli schlug am 31. August 1967 um 21.00 Uhr.

Nach einem Abschieds-Essen für geladene Gäste und für das Personal waren die sechs 'Trämli vor dem Lörracher Bahnhof aufgefahren.

In Abschiedsansprachen vor dem Lörracher Rathaus wurde nochmals erläutert, wieso es zur Stillegung gekommen war.

Man erinnerte nochmals an die gute Zusammenarbeit zwischen Lörrach und Basel, die auch mit der Stillegung der Straßenbahn nicht aufhören solle.

Dann bestieg man die Wagen. Unter den Klängen der Stadtmusik fuhren die Trämli durch die dichte Menschenmenge, welche zum Abschied gekommen war, Richtung Grenze. Mit etwas Abstand folgte ihre Ablösung: die neuen Stadtbusse!

An der Grenze hob sich der Schlagbaum und ein Trämli nach dem anderen rollte über die Grenze. Es waren dies die Wagen Nr. 56, 43, 50, 61, 62 und zuletzt 30.

Die "Sechser" waren wieder nach Basel heimgekehrt, die Lörracher schauten ihnen wehmütig nach.

Für den Rückweg von der Grenze durften die Zuschauer die neuen Stadtbusse zum Nulltarif benutzen.

Der Schreiber dieser Zeilen war damals bei Abschied an der Grenze auch anwesend. Er machte sich - aus Protest vielleicht - zu Fuß auf den Heimweg, jedoch nicht ohne unterwegs das letzte noch hängende Haltestellenschild abzuschrauben.

Und der Onkel des Schreibers verfasste ein Gedicht, welches am Tag nach der Stilllegung in der Tagespresse veröffentlicht wurde.

Abschied vom Trämli an der Grenze in Lörrach-Stetten.
Als letztes Fahrzeug fährt Wagen 30 über die Grenze nach Basel zurück.
Foto: © Foto Neumann, Lörrach, Slg. W. Schepperle

Ab 1. September 1967 galt der neue Bus-Fahrplan.

Vom Lörracher Trämli ist heute nichts mehr zu sehen.

Die Betriebsanlagen waren ja ohnehin sehr dürftig gehalten, an einigen alten Häusern kann man heute vielleicht noch die Befestigungspunkte der Fahrleitung erkennen.

Bereits am 1. September 1967 wurde mit dem Abbau der Gleise im Bereich der Verkehrsinseln am Lörracher Marktplatz begonnen, damit dort künftig der Bus halten konnte.

Auch die übrigen Gleise wurden alsbald herausgerissen, sie mußten bei Straßenumbauten weichen.

Lediglich zwischen der Grenze und dem Bahnhof Lörrach-Stetten blieben die Schienen auf einer Länge von 600 Metern noch etwas länger liegen, und das nur deshalb, weil dieses Straßenstück erst kurz vor der Stilllegung erneuert wurde.

Ab 17. April 1979 wurde mit dem Ausbau dieser Schienen begonnen. Die fast noch neuwertigen Schienen wurden zum Schrottpreis an die Basler Verkehrsbetriebe verkauft. Dort wurden sie gereinigt und gerichtet und zum Wiedereinbau in Basel eingelagert.

Das von einem Lörracher Bürger im Jahre 1979 (angesichts des drohenden Abbaus des Reststücks der Gleise) angestrebte Bürgerbegehren, den Straßenbahnbetrieb in Lörrach wieder aufzunehmen, wurde von der Stadt Lörrach abgelehnt, obwohl bei einer Unterschriftenaktion weit mehr als die erforderlichen 3000 Unterschriften zusammen gekommen waren.

Die Ausweichstelle beim Bahnhof Lörrach war auch noch längere Zeit vorhanden, sie wurde aber überteert. Bei Regenwetter konnte man die Gleise dort unter dem Teer noch "erahnen". Als im Jahre 1980 der Bahnhofsplatz durch Einbeziehung in die neue Lörracher Fußgängerzone radikal ungestaltet wurde, verschwanden auch dort die Gleise.

Es war ursprünglich vorgesehen, ein Wagen nach Lörrach zurückzuholen und als Denkmal aufzustellen. Doch dazu kam es leider nicht mehr. Die Fahrzeuge wurden bis auf Ce 2/2 Nr. 30 verschrottet.

Wagen Nr. 30, welcher am 31. August 1967 als letzter "Lörracher" Wagen die Grenze in Richtung Heimat überquerte, war am 10.5.1900 in Betrieb genommen worden. 1955 trug er den Namen "zum Rupf". Die Ausmusterung erfolgte am 31.12.1967. 1968-1970 fand der Wagen Verwendung zum Bau eines Hochzeitstrams mit offener Plattform und der (Fantasie-) Wagennummer 4. Seit 1997 ist er abgestellt.
(Quelle: Tramclub Basel)

Informationen über einen Teil der einstmals in Lörrach eingesetzten Wagen gibt es hier.

Weitere Motorwagen und Anhängerfahrzeuge, die nachweislich früher einmal in Lörrach verkehrten, sind heute noch als Museumsfahrzeuge bei den Basler Verkehrsbetrieben und beim Tramclub Basel erhalten.

Trotz aller Trauer über des "Lörracher Trämli" freuen wir und schon jetzt über das künftige Buch über die Geschichte der Lörracher Straßenbahn, welches gegenwärtig beim Tramclub Basel in Arbeit ist und hoffentlich bald erscheinen wird.

Wagen 47 "Anggebliemli" wurde vom Tramclub Basel mustergültig restauriert.
Beim Jubiläumsfest "100 Jahre Tram nach Riehen" an 10. August 2008 war er mit von der Partie.
Wagen dieses Typs verkehrten einstmals in Lörrach. Ob Wagen 47 auch schon in Lörrach war, ist nicht dokumentiert.

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