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Wiedergeburt?

Nach der Einstellung des Personenverkehrs übernahmen dann ab Sonntag, 23. Mai 1971 die Bahnbusse die Beförderung der Reisenden.
Ein Blick in den damaligen Busfahrplan zeigt, dass ab dieser Zeit zwischen Schopfheim und Säckingen ein Busverkehr herrschte wie noch nie.
Und in diesen Bussen herrschten speziell zu den Zeiten des Berufs - und Schülerverkehrs anscheinend chaotische Verhältnisse. Bus-Kurse mussten teilweise doppelt und mehrfach gefahren werden, um alle Fahrgäste transportieren zu können.

Die Einhaltung des Bus-Fahrplanes war speziell zwischen Wehr und Säckingen wegen der schlechten Straßenverhältnisse, enger Ortsdurchfahrten und wegen drei beschrankte Bahnübergänge an der Hochrheinstrecke zwischen Brennet und Säckingen kaum möglich. Das Abwarten der verspäteten Busse wirkte sich auch stark auf die Pünktlichkeit der Züge auf der Hochrheinstrecke und der Wiesentalbahn aus.

Somit hatte der Zugrevisor mit seiner Feststellung aus dem Jahre 1967 eigentlich recht behalten:

"Es fahren immer noch zu viele Leute mit, wir können noch nicht still legen"

Es dauerte recht lange, bis man sich bei der damaligen Bundesbahndirektion in Karlsruhe Gedanken darüber machte, wie man der Situation Herr werden könnte.

Am 15. Mai 1974 richtete man von dort an den Bahnhof Säckingen folgendes Schreiben:

"Betreff: Überprüfung der Bedienung des Reiseverkehrs der Strecke Säckingen - Wehr auf der Straße

Aufgrund des zahlenmäßig hohen Buseinsatzes in der Verkehrsbedienung der Strecke Säckingen - Wehr (Baden) ist zu prüfen, ob die Abwicklung der Busbedienung verbessert werden kann. Es kommen hauptsächlich die Zeiten in Betracht, in denen wegen des Reisendenaufkommen Busse doppelt oder gar mehrfach gefahren werden.
Dabei könnte auch eine teilweise Rückverlagerung auf Schienenbetrieb erwogen werden.
Die Busanschlüsse an Eilzüge in Säckingen sind in die Überlegungen einzubeziehen.

Wir bitten, uns das Untersuchungsergebnis mit Ihrer Stellungsnahme spätestens 15. Juni 1974 zuzuleiten.

gez. Unterschrift"

Es ist anzunehmen, dass der Säckinger Bahnhofsvorsteher mit diesem Auftrag aus Karlsruhe arg überfordert war. Eigentlich wäre es Aufgabe der vorgesetzten Dienststellen in Karlsruhe gewesen, die Situation selbst zu untersuchen.

Der Säckinger Bahnhofsvorsteher schickte am 19. Juni 1974 folgende Antwort nach Karlsruhe:

"Zu Ihrem Schreiben berichten wir wie folgt:

1) Eine Verbesserung der Abwicklung des Busverkehrs ist nicht möglich. Der Linienbearbeiter der Bahnbusverkehrsleitung und die Bahnbusverkersstellen Schopfheim und Waldshut haben bisher alle Möglichkeiten zur Befriedigung der Ansprüche unserer Kunden ausgeschöpft. Allerdings ist der Aufwand unseres Erachtens für die ausreichende Bedienung der Strecke sehr hoch. Außer den im Kursbuch (Strecke 7335) angegebenen Bussen fahren morgens zwischen Wehr und Säckingen noch 5 weitere Verstärkungsbusse.
Zur Abwicklung des Schülerverkehrs werden nach Schulschluß ebenfalls 5 weitere Omnibusse eingesetzt und auch nach Geschäftsschluß ist trotz gutem fahrplanmäßigem Angebot ein weiterer Bus notwendig.

2) Das fahrplanmäßige Verkehren der Busse wird zwischen Wehr und Säckingen durch schmale Straßen, starken Verkehr und auf der Teilstrecke Brennet (Rh) und Säckingen durch drei verschiedene beschrankte Bahnübergänge stark behindert. Besonders vormittags, bei gleichzeitigem starken Berufsverkehr, treten immer wieder Verspätungen der Busse ein, die sich auf den Zugverkehr auswirken.

3) Über die Zahl der Busbenützer und ihre Einstiegs- und Ausstiegsstellen sind uns keine genauen Zahlen bekannt. Unterlagen über Zählungen sollen sich nach Auskunft der Bahnbusverkehrsstelle bei der Bahnbusverkehrsleitung befinden.

4) Bei einer Wiedereinführung des Reisezugverkehrs zwischen Säckingen und Wehr würde für unsere für unsere Kunden eine wesentlidh bequemere und pünktlichere Anreise möglich sein. Die Vorteile lägen jedoch hauptsächlich auf unserer Seite, denn außer der Einsparung von Busleistungen (auch Leerfahrten) wäre eine pünktlichere Durchführung vor allem des Eilzugs 2161 (Abfahrt 7.32 Uhr), aber auch anderer Züge gewährleistet."

Das Bundesbahn-Betriebsamt in Basel fügte dem Schreiben des Säckinger Bahnhofsvorstehers noch eine Ergänzug bei:

"Bei einer teilweisen Rückverlegung auf den Schienenverkehr könnten die zwischen Säckingen - Wehr - Säckingen verkehrenden Busse sowie einige zwischen Säckingen und Schopfheim unmittelbar hintereinander liegende Busse und die fünf vom Bf Säckingen erwähnten, in den Fahrplänen nicht aufgeführten Verstärkungsbusse entfallen. Die Züge müßten zwischen 6.00 und 8.30 Uhr, zwischen 12.00 und 14.00 Uhr sowie zwischen 16.00 und 19.00 Uhr vorgesehen werden. Um ein Umsetzen der Lok im betrieblich nicht besetzten Bf Wehr zu vermeiden, sollten diese Züge mit einer ET/ES 485- Einheit gefahren werden.

In der teilweisen Rückverlegung des Reiseverkehrs auf die Schiene zwischen Wehr und Säckingen sehen wir keine Verbesserung der Anschlüsse im Bf Säckingen auf die Eilzüge. Es ist kaum damit zu rechnen und auch nicht zumutbar, daß Busreisende aus Richtung Schopfheim, deren Bus ohnehin nach Säckingen fährt, des Anschlusses in Säckingen wegen in Wehr auf einen Zug umsteigen. Dies gilt auch für die anderen Reisenden von Schopfheim nach Säckingen, so daß für zwischen Säckingen und Wehr fahrende Züge ausschließlich Reisende aus Wehr und Öflingen aufkommen. Da die Bushaltestellen in vielen Fällen f ür die Reisenden günstiger liegen als die Bahnhöfe, erscheint es fraglich, ob für die Züge Wehr - Säckingen - Wehr die gewünschte Nachfrage besteht. Wir legen Meßtischblätter bei, in denen die Fahrtroute der Busse durch rote Linien und die Bushaltestellen durch grüne Kästchen dargestellt sind.

Vor Aufnahme des Reisezugverkehrs sollte die Langsamfahrstelle beim Bf Wehr mit 10 km/h von km 9,4 bis 9,5 beseitigt werden. Für das Jahr 1974 sind hierfür keine Mittel genehmigt worden.

Zur Zeit wird in Öflingen eine Umfahrungsstraße gebaut, mit deren Fertigstellung im zweiten Halbjahr 1975 gerechnet werden kann. Nach Inbetriebnahme dieser Straße ist eine flüssigere Durchführung des Busverkehrs zwischen Wehr und Brennet zu erwarten, was sich bis zu einem gewissen Grad auch günstig auf die Zuganschlüsse in Säckingen auswirken wird. Eine wirkliche Verbesserung der Anschlüsse in Säckingen, ja des gesamten Reiseverkehrs, kann u.E. nur durch eine Rückverlegung des Reisezugverkehrs auf der Gesamtstrecke Schopfheim - Säckingen erreicht werden."

Und man fügte dem Schreiben auch gleich noch einen grafischen Busfahrplan bei, um die prekäre Situation zu verdeutlichen.

(Durch Anklicken der kleinen Bilder gelangt man zur Vergrößerung)

Busfahrplan 1974
Stunde 5 bis 11
Busfahrplan 1974
Stunde 12 bis 20

Eine Antwort der Bundesbahndirektion Karlsruhe auf die obigen Schreiben ist in den uns vorliegenden Akten nicht zu finden. Zu der erhofften "Wiedergeburt" der Wehratalbahn kam es leider nicht mehr.

Durch den Bau der Umgehungsstraßen (Öflingen, Brennet; Wallbach) hat sich die Situation auf der Straße in den folgenden Jahren ständig verbessert und viele Berufspendler sind auf den eigenen Pkw umgestiegen.

Da erhebt sich doch die Frage: Warum ist man zu dieser Erkenntnis erst im Jahre 1974 gelangt?

Hätte man den Worten des "kleinen" Zugrevisors - der die Situation kannte - aus dem Jahre 1967 geglaubt, und hätten damals die Kommunen die Zeit nicht "verschlafen", die Wehratalbahn könnte vielleicht heute noch fahren!

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