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Die Elektrifizierung

der

Wiesen - und Wehratalbahn

Bauarbeiten

Am 7. März 1910 schrieb die Grh. Generaldirektion der Badischen Staatseisenbahnen an das Elektrotechnische Baubüro in Basel:

"Wir erteilen die Genehmigung, mit dem Bau der Fahrleitung auf den freien Strecken der Wiesentalbahn von der Schweizerischen Landesgrenze ab bis km 19,4 vor dem Bahnhof Schopfheim zu beginnen, sobald mit dem Unternehmer eine annehmbare Vereinbarung über die zu den Mastfundamenten erforderliche Betonlieferung getroffen worden ist; einem Bericht hierüber sehen wir entgegen".

Wann mit den Bauarbeiten dann genau begonnen wurde, lies sich aus den hier vorhandenen Akten bisher nicht feststellen. Auch über den Verlauf der Bauarbeiten ist in diesen Akten kaum etwas verzeichnet.

Am 31. März 1910 stellte das Baubüro der Siemens-Schuckert Werke an die Betriebsinspektion in Basel den Antrag "ergebenst genehmigen zu wollen dass wir die Frachtgelder der für uns in Lörrach ankommenden Materialien für die Wiesentalbahn statt bei der Güterkasse in Lörrach bei der hiesigen Güterverwaltung bezahlen zu können, weil es sich meist um grössere Beträge handelt und sich unser Bureau in Basel befindet."

Dieser Antrag wurde an die Direktion Karlsruhe weitergeleitet und umgehend genehmigt.

Der Vertrag zwischen der Großh. Bad. Staatsbahn und der Firma SSW, unterzeichnet am 1. bzw. 15. Februar 1910 sieht vor, dass die Arbeiten für die Streckenausrüstungen auf einzelnen Streckenabschnitten und Bahnhöfen im Oktober 1909 aufgenommen werden können.

Als Lieferfrist für die Bahnunformer sowie für die Schaltanlage wurde der 1. Januar 1911 festgesetzt, vorausgesetzt, dass dem Unternehmer von der Eisenbahnverwaltung das Umformergebäude Ende März 1910 fertig zur Verfügung gestellt wird.

Als Termin für die Fertigstellung der Fahrleitungsanlage legte man den 1. Januar 1911 fest.

Die 10 bestellten Lokomotiven sollten ebenfals zu diesem Termin geliefert werden. Termin für die Lieferung des Untersuchungs- und Montagewagens war der 15. Juli 1910.

Ähnlich verhält es sich mit dem Vertrag zwischen der Großh. Bad. Staatsbahn und der Firma AEG.
Hier wurde der Vertrag am 2. bzw. 24. Dezember 1910 unterzweichnet.

Ein Termin für den Beginn der Bauarbeiten ist in diesem Vertrag nicht festgesetzt, dafür die Termine für die Fertigstellung der Anlage:

Am 1. Oktober 1911 sollte die Fahrleitungsanlage von Schopfheim nach Zell fertig gestellt sein, am 1.Januar 1912 war Termin für die Strecke Schopfheim - Säckingen.
Ebenso wurde der Liefertermin für den Montage- und Untersuchungswagen auf 1. Januar 1912 festgesetzt.

Am 28. April 1910 teilte die Generaldirektion Karlsruhe der Betriebsinspektion Basel mit, dass man dem Leiter des Baubüros der Firma Siemens-Schuckert-Werke sowie den mit der Beaufsichtigung des Personals betrauten Ingenieuren die Erlaubnis erteile, gegen Lösung von Personenzugfahrkarten 3, Klasse die Packwagen der Güterzüge zu benützen.

Und am 16. Mai 1910 erging die Mitteilung an das elektrotechnische Baubüro in Basel, dass die Firma AEG "alsbald nach Pfingsten" in Schopfheim ihr Baubüro einrichten werde.

Vor dem Tunneleingang in Hasel haben sich die Bauarbeiter für ein Foto postiert.
Vermutlich wurde die Aufstellung des ersten Oberleitungsmasten (hinter dem Signal) gefeiert.

Foto: Archiv Eisenbahnfreunde Wehratal e.V.

Die Fahrleitungen von Wiesen- und Wehratalbahn entsprachen der anfangs auch in Schlesien und Mitteldeutschland verwendeten Bauart mit eisernen Querjochen und doppelten ,,Diabolo"-lsolatoren für Trag- und nachgespannte Fahrdrähte.



Diabolo-Isolatoren
Ab 1928 wurden solche Isolatoren im Oberleitungsbau nicht mehr verwendet

Die Firma SSW erbaute die Fahrleitung zwischen Basel und Schopfheim. Ihr Kettenwerk bestand aus festem Tragseil, Hilfstragdraht, Hängern und Fahrdraht.

SSW baute die Fahrleitung mit Mastabständen von 72 m in Geraden, in den Krümmungen wurden die Abstände entsprechend verringert.

Von AEG stammte die Fahrleitung der Abschnitte Schopfheim - Zell und Schopfheim - Säckingen mit Fahrdraht, Tragseil und Hängern.

AEG hielt in Geraden sowie in Krümmungen zwischen den Masten eine Distanz von 60 m ein.


Oberleitungsbau auf der Wehratalbahn
Foto: Stadtarchiv Wehr

Abgespannt wurden die Fahrdrähte mit 600 kg-Gewichten über Rolle und Kette. Um bei Eis- und Schneebelag Störungen zu verhindern, wurden die Fahrleitungen mit Hilfe von Doppelkelch-und Doppelglocken-lsolatoren isoliert.

An den Stützpunkten erhielt der Fahrdraht eine Zickzack-Aufhängung von +/- 50 cm, um so eine gleichmäßige Abnutzung der Schleifstücke der Stromabnehmer sicherzustellen.

In Bahnhöfen und zweigleisigen Abschnitten bestanden die Stützpunkte aus festen Stahljochen, in den eingleisigen Streckenstücken fanden genietete Masten aus Profilstahl Verwendung.

Als Fahrdraht wurde Hartkupfer-Profildraht, hauptsächlich mit Rundproftl, teilweise aber auch mit Achterprofil, eingebaut. Die Fahrdrähte über den durchgehenden Hauptgleisen hatten einen Querschnitt von 120 mm², die Nebengleise einen solchen von 70 mm², die Fahrdrähte über den Privat-Gleisanschlüssen bestanden nur aus Stahl und hatten einen Querschnitt von 80 mm². Ebenfalls aus Stahl waren die Tragseile (50 mm²) und Hilfstragdrähte (35 mm²) gefertigt.

Wegen des gemischten Betriebs (Dampflokomotiven und elektrischer Betrieb) in Basel Badischer Bahnhof waren die dortigen Tragseile aus Siliziumbronze hergestellt.

Im Bahnhof Schopfheim wurde zur Unterbringung der Schaltanlagen ein besonderes Gebäude als "Blitzschutz- und Schaltstation" erstellt. Dieses Gebäude wurde an das Stellwerk 1 des Bahnhofs Schopfheim angebaut.

Abweichend von den damals in der Bau- und Betriebsordnung der Badischen Staastsbahnen geltenden Regeln für die Umgrenzungslinien wurde für die Wiesen- und Wehratalbahn besondere Regelung erforderlich.

Anscheinend war man bei der Großh. Bad. Staatsbahn damals davon überzeugt, dass der elektrische Betrieb noch vor der Eröffnung des neuen Badischen Bahnhofs in Basel aufgenommen werden könnte und dachte deshalb auch über eine Einführug der Fahrleitung in den alten Badischen Bahnhof nach.

Am 12. Juli 1911 teilte die Eisenbahnabteilung des Großherzoglichen Ministeriums der Finanzen in Karlsruhe der Generaldirektion mit, daß man damit einverstanden ist,

"zwecks Durchführung des reinen elektrischen Betriebs auf der Wiesentalbahn die Fahrleitung in den alten Bahnhof Basel noch eingeführt wird unter der Vorausetzung, daß die gesamte innerhalb dieses Bahnhofs für den elektrischen Betrieb anzuordneten Einrichtungen auf das unumgänglich Notwendige beschränkt werden und keine Überschreitung der hierher angegebenen Kosten eintritt."

Die Maschineninspektion Basel wurde wurde damit beauftragt, alsbald einen Ausführungs-Kostenanschlag vorzulegen sowie bei den Schweizer Aufsichtsbehörden die entsprechenden Genehmigungen einzuholen.

Zu einer Einführung der Fahrleitungen in den alten Bahnhof kam es aber dann doch nicht.

Da nach Abschluß der Elektrifizierungsarbeiten der gesamte Betrieb mit elektrischen Lokomotiven abgewickelt werden sollte, mussten auch sämtliche Lade- und Nebengleise sowie die Anschlußgleise der Firmen im Wiesental mit Oberleitung überspannt werden.

 

Elektrifizierungsarbeiten zwischen Hausen-Raitbach und Zell im Wiesental im Jahre 1912
Foto: Repro Harald Haas †, Archiv Eisenbahnfreunde Wehratal e.V.

 

Im Verlauf der Bauarbeiten kamen von verschiedenen Bahnhöfen zu Bedenken, daß einige Oberleitungsmasten die Sicht auf die Signale verdecken. Im Bahnhof Säckingen wünschte man, daß der schmale Bahnsteig 2 von Masten frei bleiben und die Masten für die Querträger auf dem breiten Bahnsteig 1 untergebracht werden.

Am 17. Mai 1911 bereiste deshalb eine Kommision aus Karlsruhe die Wiesentalbahn sowie die Wehratalbahn, um festzustellen, in welchem Maße die Sichtbarkeit der Signale durch die Fahrleitungsanlage vermindert wird.

Diese Kommission machte anschließend den Vorschlag, daß man an den Problemstellen mit einem leichten, den Fahrleitungsträger bezeichnenden Lattengestell die beste Stellung von Masten und Signalen aussuchen soll, bevor die Masten zur Aufstellung gelangen. Man befürwortete auch für Säckingen das Aufstellen der Masten auf Bahnsteig 1.

Zu Problemen kam es auch mit den Vordächern an den Laderampen der Güterschuppen. Von der Direktion wurde zunächst vorgeschlagen, die Vordächer der Güterschuppen einfach zu kürzen, damit man die Fahrleitung unterbringen kann. Es entstand ein reger Schriftwechsel zwischen den Stationen und der Betriebsinspektion. So machte z.B. der Bahnhof Wehr den Vorschlag, die Fahrleitung vor dem Schuppendach enden zu lassen, da man ja die Wagen unter das Dach schieben würde und somit die elektr. Lok auch vor dem Schuppendach anhalten müsse.

Die Betriebsinspektion Basel schrieb deshalb am 24. Juli 1911:

"Der Kürzung der Güterschuppendächer können wir mit Rücksicht auf die Gefahr der Beschädigung, welche die Waren bei Regen und Schnee ausgesetzt sind, und den hieraus entstehenden Schadensersatzforderungen nicht befürworten. Wenn irgend möglich, sollten die Schuppendächer gehoben werden."

Die Kommission aus Karlsruhe kam auch hier zur Erkenntnis, daß auf den Stationen Hasel, Wehr, Öflingen und Brennet (Wehratal) die Vordächer der Güterhallen erhalten bleiben sollen, die Fahrdrahtanlage sollte unter den Dächern isoliert bis zum Abspannmast führen.

Als Folge waren natürlich wieder Verhandlungen mit den bauausführenden Firmen wegen der Änderung der Bauverträge erforderlich.


Quertragewerk im Bereich des Stellwerks 1 des Bahnhofs Lörrach:
Am linken Bildrand die Signalbrücke für die Ausfahrsignale Richtung Riehen und Weil.
Foto: Stadtarchiv Lörrach


Die Oberleitung im Bereich des Bahnübergangs Wallbrunnstrasse in Lörrach.
Foto: Stadtarchiv Lörrach


Die Oberleitung im Bereich der Einfahrsignale des Bahnhofs Lörrach aus Richtung Riehen (rechtes Gleis) und Weil (linkes Gleis).
Das linke Gleis (von und nach Weil) ist nicht elektrifiziert, folglich ist die Aufnahme vor 1952 entstanden.
Foto: Stadtarchiv Lörrach

Nach 50 Betriebsjahren zeigten Stahlseile und Stahlkonstruktionen starke Abnutzungserscheinungen. Auch an den Mastfundamenten waren inzwischen starke Schäden aufgetreten. Anstelle eines Umbaues begann die Bundesbahndirektion Karlsruhe zwischen 1962 und 1967 mit dem

Ersatz der bisherigen Fahrleitung der Wiesen- und Wehratalbahn

durch die "Regelfahrleitung 1950".

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