zurück

Januar 1994 - Land unter in Hamburg Hgbf

Datum: 25.01.05

Vereinsmitglied Matthias Teufert hat uns einige interessante Fotos (samt Bericht) aus dem Jahre 1994 zukommen lassen, welche wir den Besuchern unserer Seite nicht vorenthalten möchten.

Der Bericht wurde in Forum Historische Bahn veröffentlicht. Er passt zwar nicht unbedingt zu unserem Thema "Historisches aus dem Süden", soll aber trotzdem hier gezeigt werden , bevor er irgndwo "in der Versenkung" verschwindet.

Januar 1994. Wind aus Nordwest, Windstärke 8 bis 10. Der Hamburger Hauptgüterbahnhof, ex Venloer Bf, ex Pariser Bf, ex Hannöverscher Bf, ist seit 1998 Geschichte. Heute finden wir dort nur noch die Abzweigstelle Ericus, ferngestellt vom Stw HZF Hamburg Hauptbahnhof. Der Hamburger Hauptgüterbahnhof (AHBN) befand sich auf einer Insel im Hamburger Hafen (nicht Freihafen). Er wurde praktisch von den Hafenbecken des Oberhafens (auf den Bildern rechts zu sehen) und dem Afrikakai eingerahmt. Das Viadukt an den linken Bildrändern ist die sogenannte Pfeilerbahn. Es handelt sich dabei um die Personenzuggleise von Harburg (AHAR) nach Hamburg Hbf, die zwischen Hamburg-Veddel (AVL) und Hamburg Hbf (AH) aufgeständert geführt wurden. Auf diesen Gleisen lief der Betrieb auch bei Sturmflut weiter. Bei einer normalen Flut (Ebbe und Flut gibt es ja in Hamburg täglich) reicht das Wasser bis etwa 2 Meter unter das Ende der Kaimauer.

Auch zum Zeitpunkt, als dieses Bild aufgenommen wurde, war Flut. Bis zum Ende der Kaimauer sind noch etwa 2 Meter Platz.

Eine Sturmflut, bei welcher der Bahnhof „absoff“, gab es im Durchschnitt einmal im Jahr. Bei der höchsten Flut, die Matthias direkt miterlebt hatte, stand das Wasser 1,12 Meter über Schienenoberkante.

Das Stadtgebiet ist gegen Sturmfluten durch Dämme und schließbare Fluttore gesichert. Sind die Fluttore geschlossen (das schließen der Tore wird durch Kanonenschüsse angekündigt), ist es nicht mehr möglich, den Hafenbereich mit Straßenfahrzeugen zu verlassen.

Auf dem Befehlsstellwerk (HOB) war ein Funkempfänger, der auf die Frequenz des Hamburger Sturmflutwarndienstes eingestellt war, vorhanden. Der "WADI" war in der Lage, eine Sturmflut etwa 8 Stunden vor Eintreffen vorauszusagen. Für den Fahrdienstleiter gab es im Bahnhofsbuch genaue Anweisungen, wie beim Fall einer Sturmflut zu verfahren sei. Auch zu Zeiten der DB AG funktionierte dieses Verfahren nochrecht gut, obwohl verschiedene Geschäftsbereiche zusammenarbeiten mussten.

Als Erstes wurden Lokomotiven (BR 218, 291 oder 232) bestellt. Der Zug- und Rangierbetrieb lief bis maximal 3 Stunden vor Überschwemmung des Bahnhofes weiter. Dann wurden alle Züge zurückgestellt, b.z.w. abgefahren. Sämtliche Güterwagen wurden aus den Ladegleisen abgezogen und nach Hamburg Rothenburgsort oder Billwerder überführt. Diese Zugfahrten fanden ganz offiziell ohne Bremsprobe, Wagenliste und Bremszettel statt. So wurden etwa 150 bis 200 Güterwagen evakuiert. Nachdem die Güterwagen abgezogen waren, begannen die Signaltechniker, auf der Westseite des Bahnhofes (sie lag etwa einen Meter tiefer als die Ostseite) die Weichen- und Signalantriebe auszubauen. Die Verteilerkästen waren flutsicher auf Pfählen montiert. Die Antriebe wurden in den G-Wagen gelagert, bis die Flut vorbei war.

Auf den Stellwerken wurde rechtzeitig die Heizung abgestellt. Die Fahrdienstleiter auf den Stellwerken HOB und HW mussten auf dem Stellwerk bleiben. Sie besorgten sich noch genügend Verpflegung, Zigaretten, Decken und elektrische Heizlüfter. Es kam durchaus vor, dass die Mitarbeiter bis zu 20 Stunden auf den Stw verharren mussten, denn Ablösung kam erst, wenn die Flut wieder weg war. Die anderen Mitarbeiter durften sich rechtzeitig in Sicherheit bringen.

14.20 Uhr: Die Flut tritt über die Kaimauer. Der Bahnhof ist geräumt. Die Signaltechniker demontieren die Weichenantriebe.

14.27 Uhr: Obwohl die Vorwarnzeit für eine Sturmflut etwa 8 Stunden beträgt, wurde der Betrieb auf dem Hamburger Hauptgüterbahnhof so lange wie möglich aufrecht erhalten. Daher erfolgte die Demontage der Signaltechnik immer auf die letzte Minute.

14:38 Uhr. Neben der Technik im Gleisbereich wurde auch das Stellwerk flutsicher hergerichtet. Das bedeutete, dass unter Anderem die Heizung abgeschaltet wurde.

15.18 Uhr

16:00 Uhr: Der Hamburger Hauptgüterbahnhof ist abgesoffen. Nun konnte der Fahrdienstleiter, der auf dem Stellwerk verbleiben mußte, die Angel rausholen. Petri Heil.

16:05 Uhr: Die Bilder wurden vom Stellwerk HOB aufgenommen. Beim Nachbarstellwerk (HW) steht das Wasser zu diesem Zeitpunkt etwa 1 Meter über den Schienen.

16:10 Uhr: Der höchste Wasserstand ist erreicht. Bis die Flut wieder abgelaufen ist, werden noch etwa 4-5 Stunden vergehen.

In den Güterwagen sind die Weichenantriebe gelagert

Sobald das Wasser wieder weg war, wurde der Bahnhof von Treibgut gereinigt und die Antriebe wieder eingebaut. Dies dauerte etwa 5- 8 Stunden. Der Bahnhof konnte aber schon früher die Arbeit wieder aufnehmen, da zuerst die wichtigsten Weichenantriebe eingebaut wurden.

Zu erwähnen ist noch, dass AHBN auch schon mit Sack und Pack abgesoffen ist, weil keine Sturmflutwarnung einging. Auch kam es vor, das die Antriebe ausgebaut wurden, und trotzdem absoffen, da sie nicht flutsicher gelagert wurden.

Walter Schepperle

zurück